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Du bist nichts, dein Kopftuch ist alles?

Juli 14, 2009

حجاب

hidschāb

Die Frau ist nackter als der Mann:

Verhüllt die Schamzone mit Tuch

Politische Instrumentalisierung eines Mordfalls

Zur Versachlichung der Debatte. Die Diskussion um den Mord an Marwa al-Sharbini (Marwa el-Sherbini, getötet am 1. Juli 2009). Über Kopftuchzwang und Kopftuchmärtyrerinnen, Ehrenmorde und Fremdenfeindlichkeit. Stichwort Kopftuchverbrechen, Klärung eines Begriffes. Von Ümmühan Karagözlü und Jacques Auvergne, 14. Juli 2009

Das Wort Kopftuchmörder (ZMD) ist gefallen. Die an der grundgesetzwidrigen Scharia ausgerichteten deutschen Islamverbände wie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) nennen den Mörder Kopftuchmörder. Das ist eine neue Vokabel und allein deswegen unsere genaue Betrachtung wert, denn hinter einem mit Berechtigung geprägten Neologismus müsste schließlich eine irgendwie neuartige Situation und Intention stehen.

Kopftuchmörder könnte beispielsweise bedeuten, der Angreifer hätte eine Verschleierung getragen. Vielleicht verwendete der Mörder ja als Mordwerkzeug ein Kopftuch, dann wäre der mittels eines strangulierenden Tuches ausgeführte Mord wahrhaftig ein Kopftuchmord. Hat etwa ein notorischer Kopftuchhasser ganz allein auf ein irgendwo lose herum liegendes Kopftuch eingestochen? Mord in der männerfreien Zone des Harems, zwei Burka- oder Tschadorträgerinnen ermorden einander, typischer Kopftuchmord?

Oder droht jetzt einer jeden staatlich angestellten Lehrerin, die Wert darauf legt, ihr geheiligtes Kopftuch auch im Schuldienst zu tragen brutale Gewalt? Müssen Fereshta Ludin, Eva-Maria el-Shabassy oder Doris Graber befürchten, durch Europas Frauenrechtler, Gleichheitsfeministen oder Schariagegner schikaniert zu werden? Laufen, und das legen uns Ayyub Axel Köhler (ZMD) und der Koordinationsrat der Muslime (KRM) offensichtlich nahe, laufen Kopftuch oder Verschleierung tragende Frauen in Europa namentlich in Deutschland Gefahr, aufgrund ihre »islamischen Kleidung« verletzt und ermordet zu werden?

Es muss Mörder heißen, allenfalls Frauenmörder oder ‚Mörder an einer in Dresden lebenden Ägypterin‘, nicht jedoch Kopftuchmörder oder Kopftuchmord. Das Wort gleichwohl zu benutzen, wie es der ZMD dieser Tage unternimmt (1), ist sicherlich kein Fehler, sondern sorgsam kalkuliert. Wir dürfen uns fragen, welche Intention die so öffentlichkeitswirksam um »Schwester Marwa« Trauernden haben.

Mittlerweile ist das auf den Mord an Marwa aš-Šarbīnī gemünzte Wort ‘Kopftuchverbrechen’ als „Crime du foulard“ in Frankreich verwendet worden (2). Den Begriff crime du foulard (3), wörtlich, schillernd: Verbrechen des Schleiers oder Kopftuchverbrechen, halten wir für besonders heimtückisch. Denn crime du foulard ist weit mehr als lediglich eine bewusste Anspielung an den Begriff crime d`honneur, deutsch stubenrein ‚Mord aus falsch verstandener Ehre‘, kurz und brutal: Ehrenmord.

Sicherlich, französisch crime heißt auf Deutsch Verbrechen, nicht Mord. Statt Ehrenmord ist aber auch in Deutschland schon oft angemessen von Ehrverbrechen die Rede gewesen. Auf http://www.zentralrat.de und auf der dem ZMD nahe stehende Seite http://www.islam.de favorisiert man bewusst den Wortbestandteil Mord, und zwar als Teil des nebulösen Begriffes Kopftuchmörder (beide Homepages) beziehungsweise Kopftuchmord (islam.de).

In diesen Tagen erfolgt also durch den KRM eine geschickte Verschmelzung zweier Begriffe, der bewusst alogischen Wortschöpfung »Kopftuchmord, Kopftuchmörder« mit dem in Deutschland spätestens seit dem großfamilienseits geplanten Mord an der anti-schariatisch lebenden Hatun Sürücü allbekannten Begriff »Ehrenmord, Ehrenmörder (4)«.

Islamisierung ist Kopftuchpolitik, 2009 zwischen Bagdad, Teheran, Ankara, Paris und Berlin ein Politikum ersten Ranges. Kommt da den Parteigängern des Scharia-Islam der schreckliche Mord des fremdenfeindlichen Russlanddeutschen an einer Kopftuch tragenden Ägypterin gerade recht, um die Deutschen einzuschüchtern und die erwünschte Rechtsspaltung im Schulverwaltungsrecht und im Familienrecht namentlich Personenstandsrecht durchzusetzen?

Mit säkularen, gleichheitsfeministischen Frauenrechten haben die reaktionären Islamverbände nun wirklich nichts im Sinn. Mit hidschāb, Tschador und Burka doch wohl schon eher. 2009 ist Frankreich bereits durch die nordafrikanische al-Qaida dahingehend bedroht worden, die Burka (5) im öffentlichen Raum auch künftig nicht zu verbieten (6).

Unter „crime du foulard“ (mit “”) sind am 12. Juli lediglich vier, am 13. Juli fünf Einträge zu ergoogeln gewesen, darunter einer vom 10. Juli 2009 (7). Dort heißt es wörtlich: „Ermordet, weil sie das Kopftuch trug“, Rubrik: ‚Islamophobie‘.

Auch deutsche Medien wie die WELT (8) haben beim KRM denken lassen und folgende Erklärung abgedruckt:

»Am 01.07.09 (9. Rajab 1430) wurde unsere Schwester im Islam, Marwa El-Sherbini in Dresden aus Hass auf die Muslime und Fremden erstochen. Unser aller Gebete und Mitgefühl gilt nun den Angehörigen des Opfers. Die 28jährige schwangere Frau und Mutter hinterlässt einen Ehemann und einen Sohn. Wir Muslime werden Marwa ein dauerhaftes und nachhaltiges Andenken in Deutschland bereiten.

Marwa ist das bisher tragischste Opfer unserer muslimischen Schwestern, die unter Demütigungen, Verdächtigungen und Diskriminierungen zu leiden haben. Marwa ist auch Opfer der Hetze und Verleumdungen, die spätestens seit der Zeit der Entscheidung zum Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und auf einschlägigen Internetseiten betrieben wird. Die insbesondere an ihrer Bekleidung erkennbaren muslimischen Frauen sind unterdessen weitgehend gesellschaftlich und menschlich abgewertet.

Wir rufen jetzt alle Muslime auf, in ihren Schweigemärschen unserer ermordeten Schwester friedlich trauernd zu gedenken. Wir appellieren an das Gute und die Gerechten in unserem Land, dass jeder an seinem Platz für die Liebe unter den Menschen und die Achtung vor der Glaubensüberzeugung jedes Einzelnen werben möge. Marwas Tod hat uns in Angst und Schrecken versetzt. Die Politik muss endlich die Islamphobie in unserem Land ernst nehmen.«

Aus der offiziellen Erklärung des KRM, 08.07.2009

Mehrere Printmedien haben diese Inspiration übernommen und Marwa el-Sherbini als „Märtyrerin“ einer irgendwie grassierenden „Islamphobie (Islamophobie)“ bezeichnet. Den schariafreundlichen Mythos namens Islamophobie kennen Fundamentalismus- und Korankritiker aus leidiger Erfahrung, doch ist das völlig unkritisch abgedruckte Wort Märtyrer dem Geist der Gegenmoderne und der Irrationalität verpflichtet. In Europa ist bereits seit eineinhalb Jahrhunderten verstanden worden, dass von Märtyrer zu sprechen einer journalistischen Berichterstattung unwürdig ist.

In Teheran gibt es eine theologische Politik, dort ist die Staatsführung geheiligt. In Europa und auch in Dresden sind keine Dämonen am Werk, sondern wurde schlicht versäumt, die Menschen im Gerichtssaal auf Waffen zu durchsuchen. Journalismus, Wissenschaft und brauchbare Politik sprechen nicht von Ehre oder Schande, sondern von Leistung oder Mangelhaftigkeit. Ein Mordopfer ist ein getöteter Mensch, kein Märtyrer.

Aus Sicht der kulturellen Vormoderne ist der Märtyrertod sinnvoll. Wir halten die Tatsache, dass eine Apothekerin erstochen wird, nicht für sinnvoll.

Anders als Mohammed und auch anders als die tausend Jahre alte, kulturrassistische und grundrechtswidrige Scharia, anders als ECFR-Scheich Yūsuf al-Qaraḍāwī oder auch anders als der iranische Präsident Mahmūd Ahmadī-Nežād hält die Bundesrepublik Deutschland die Tötung eines Menschen in keinem Falle für sinnvoll. Der Scharia-Islam kennt jene, die soziale (islamische) Ordnung wiederherstellende und einem Sakrament gleichkommende Todesstrafe, etwa für den Apostaten. Volksislam und Islamismus reden von islamrechtlich unrechtmäßig Getöteten als von Märtyrern, den geheiligten Selbstmordattentäter gibt es daneben auch.

Ausländerfeind Alex W. handelte nicht im Auftrag des Souveräns sprich des deutschen Volkes und ein weltanschaulich neutraler Staat wie die BRD lässt seine Organe bewusst keine Märtyrer ausrufen. Die quasi religiöse NSDAP allerdings meinte in den Jahren der untergehenden Weimarer Republik noch, das ganz anders sehen zu müssen und erklärte den getöteten Horst Wessel zum »Blutzeugen der Bewegung«, Blutzeuge ist die Übertragung des altgriechischen Wortes Märtyrer ins Deutsche. Das anhebende so genannte Dritte Reich wünschte den Kult einer totalen Opferbereitschaft und duldete dementsprechend auch das vermeintliche Märtyrertum wohlwollend. Es folgten zwölf Jahre, in denen auch getötete Soldaten als »Helden und Märtyrer« stilisiert wurden. Heute wollen die Deutschen, von ein paar fundamentalistischen Strömungen abgesehen, kein Märtyrertum, sondern Zivilcourage, und die mutigen Kritiker der repressiven Politreligion in Kabul, Teheran oder Kairo können uns freiheitlichen Demokraten ein gutes Beispiel sein.

Nach dem völlig islamverträglichen, dabei ebenso mittelalterlichen wie bereits vorislamischen Ehrbegriff des nāmūs, der Ehre des patriarchalischen orientalischen Menschenbildes, ist (vgl. Gülşen Çelebi unter http://www.ehrenmord.de) vielleicht ja auch im Deutschen der ein vormodernes Denken darstellbar machende Begriff Ehrenmord beziehungsweise Ehre angemessen, wenn auch säkulare Demokraten dieses Ehrverständnis nicht haben dürfen, sondern ein anderes, ein mit der Aufklärung und den allgemeinen Menschenrechten verträgliches Bild von Ehre (Achtungswürdigkeit).

Der alte orientalische Ehrbegriff des nāmūs beinhaltet neben der Blutrache und dem Blutgeld immense Nachteile für die Frau: Zwangsverlobung, Tochtertausch arrangierter Ehe, Kinderheirat, Kultur gewordene Frauenverachtung, Frauenüberwachung, Mitgiftmord, Genitalverstümmelung, Verschleierung (nachträglich genannt pardā, hidschāb), Wegsperren der Frauen, Geschlechtertrennung (ebenfalls pardā, hidschāb), öffentliche Attentate wie Nase-Abschneiden, öffentliche, familiäre und eheliche Vergewaltigungen. Derartige kulturell verankerte Frauenentwürdigung und Frauenentrechtung ist im Gebiet zwischen Kaukasus, Indus und Nil beileibe kein islamisches Monopol, doch wurde der nāmūs vom Islam wie von einem Schwamm seit 1.400 Jahren aufgesogen und der Islam ist heute Weltreligion (walī mudschbir, schafiitische FGM).

Auch Koran, Scharia-Islam und Islamisches Recht haben einen vormodernen Ehrbegriff konserviert, der in Deutschland nicht gelebt werden kann, ohne das Grundgesetz zu verletzen. Im Islamischen Recht (Sa’īd Ramaḍān, Āyatollāh Chomeinī, Yūsuf al-Qaraḍāwī, Hānī Ramaḍān) haben der männliche oder weibliche Ehebrecher, der Polytheist oder Atheist und der Islam-Apostat keine Achtungswürdigkeit. Es sei denn, man würde den Eingegrabenen zu steinigen oder auch das Abtrennen des Kopfes als angemessene und sozialverträgliche Form der Ehrerbietung betrachten. Die Menschen der kulturelle Moderne, die es auf der ganzen Welt gibt und unter denen es auch säkulare Muslime und Ex-Muslime gibt, brauchen den šarī’a-Islam und den fiqh-Islam nicht als achtungswürdig zu bezeichnen. Und genau das ist das Problem. Herr Ayyub Axel Köhler, Sie wollen die Scharia!

Es sollte uns säkularen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern darum gehen, den Begriff Kopftuchverbrechen (crime du foulard) sozusagen zurückzuerobern beziehungsweise vom Kopf auf die Füße zu stellen: Nicht die Kritik am Kopftuch ist ein Verbrechen! Das aufgezwungene Kopftuch ist ein Verbrechen!

Und genau diesen Zusammenhang zwischen dem repressiven Kult des politischen (orthodoxen) Islam und dem nach der Doktrin der Freiwilligkeit (Kein Zwang im Glauben, dem Unwilligen droht das Höllenfeuer) getragenen Schleier möchte der im Juli 2009 vermarktete Neologismus »Kopftuchmörder, Kopftuchmord« umkehren.

Ohne Frage, Alex W. ist als der Mörder der Täter, die getötete Marwa al-Sharbini das Opfer. Dem orthodoxen Islam ist andererseits das auf Machtverfestigung zielende Austauschen von Täter und Opfer nicht fremd, und hier ist zu sagen, dass der Islam nicht das Opfer Deutschlands ist und Kritik am aggressiven islamischen Fundamentalismus selbstverständlich auch künftig möglich sein muss. Darum aber geht es den Salafisten um Pierre Vogel sowie den vier im KRM zusammengeschlossenen deutschen Islamverbänden im Juli 2009 nach dem schrecklichen Mord an einer ägyptischen Pharmazeutin: Künftige Islamkritik und Kopftuchkritik zu erschweren, am besten zu verhindern.

Einmal, vor eineinhalb Jahrzehnten ist der Begriff ‚crime du foulard‘ doch aufgetaucht, 1994. In jenen Jahren konnte unter einer prekären Mehrheit von Europas Pädagogen und Sozialarbeitern noch die politreligiöse Exklusion, die schariatische Segregation oder die repressive Erziehung zur Abschottung … als ‚crime‘, als Verbrechen gelten (9).

Wer als muslimisch angepasste Frau im Alltag in Deutschland wie auch im Falle des eigenen Ablebens alle Angehörigen und Freunde um das Grab versammelt wissen will und eine islam-offizielle Grabrede verlesen wissen will, der muss doch wohl besser ein Kopftuch getragen haben. Die Kopftuchverweigerin gilt unter Muslimen leider nach wie vor als Schlampe, der die Verschleierung lobpreisende Mann als berufener Sittenwächter.

Noch gibt es zwischen Senegal und Malaysia Zehntausende von Mädchen und Frauen, die ohne Kopftuch leben oder wenigstens ohne hidschāb zur Schule gehen dürfen und beispielsweise eine Schuluniform englischen Stils tragen können. Aber der fundamentalistische Islam und mit ihm die Verschleierung der Frau scheint seit zehn oder zwanzig Jahren anzusteigen.

Zwei islamische Strömungen arbeiten im Juli 2009 beim Verwenden oder Nutzbarmachen des grausamen Dresdner Mordfalles zusammen, einerseits die reichen, schariatreuen Funktionäre des etablierten Verbandsislam wie Ayyub Axel Köhler, mit dem unsere Regierung drei Jahre lang in einem Hinterzimmer zu diskutieren beliebte. Auf der anderen Seite arbeiten ihnen die armen Schwärmer und Wanderprediger zu, die auf den deutschlandweiten Trauerzug aufgesprungenen bärtigen Salafisten, Tschador-Händler und Niqāb-Tolerierer um die frommen Fundamentalisten Yusuf Estes, Bilal Philips (derzeit Einreiseverbot in die USA), Abdul Adhim und Pierre Vogel. Zu ihrem Umfeld gehören das Aufklärung und kulturelle Moderne standhaft verweigernde Islamische Bildungs- und Kulturzentrum Braunschweig (IBKB; http://www.furkan-semi.de, http://www.einladungzumparadies.de) und die Berliner al-Nur-Moschee.

Lautstarke Trauerkultur um eine ermordete Ägypterin, der gewiefte Kommunal- und Verbandspolitiker trifft auf den charismatischen Kumpel. Wenig scheinen der akademische Nadelstreifenkalif aus Köln-Nippes (FDP, im Stadtrat) und der aus Bonn und Frechen stammende einstige Profi-Boxer (Kreationist, warnt vor dem Teufel, will Geschlechtersegragation und fordert den hidschāb) gemeinsam zu haben. Von der Scharia einmal abgesehen. Beide sind zum Islam übergetreten, beide reden von Marwa.

Konvertit Vogel unternimmt dieser Tage eine Deutschlandtournee, viele andere Gruppen organisieren vergleichbare Gedenkstunden in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Heidelberg. Da feiert man sich ein wenig selbst, lässt Dutzende von langbärtigen, Kittel tragenden und damit fraglos frommen „Brüdern“ antreten und garniert die Sache mit mehreren Handvoll wahhabitisch anmutender Tschador-Wesen oder gar mit gesichtslosen Niqab-Gestalten (10). Die mutmaßlich femininen Gespenster lässt man Flugblätter verteilen, den ganzkörperverhüllten Wesen sind tappende Zwei- oder Dreijährige und belebte Kinderwagen zugehörig, die Kinder zeigen, über ihre eigenen Muttergespenster so etwas wie serielle Verwunderung.

Die deutsche Salafiyya umfasst eher weniger türkeistämmige als vielmehr aus Marokko stammende Einwanderer und ist durch Konvertiten ergänzt worden. Auch Deutschlands Salafiyya will die komplette weibliche Leibesbedeckung und den ach-so-femininen Gesichtsschleier möglichst weit verbreiten. Dafür ist die getötete Apothekerin aus Ägypten ja vielleicht günstig einzusetzen. Ungerührt bis wütend wird gerufen: „Schwester Marwa, Märtyrerin Marwa, unsere geliebte Kopftuchmärtyrerin!“ Dann wird fünf Minuten lang heftig über das Lehrinnenkopftuchverbot hergezogen und Deutschlands angebliches Klima der Fremdenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit lautstark angeprangert. Nun hält der Redner ein großes Photo von Marwa, ihrem Mann und dem gemeinsamen Kind hoch, sehr anrührend. Der Redner schreit: „Was muss erst noch alles passieren, müssen noch mehr Muslime sterben? Wehret den Anfängen!“ Er legt das Marwa-Plakat wieder weg und bringt Burka- und Kopftuchverbote im Staatsdienst, betroffen machend aber wenig plausibel, mit der Lage der Nonkonformisten im Nationalsozialismus in Verbindung. „Unsere Schwester Marwa ist Deutschlands erste Märtyrerin für die islamische Bedeckung! Wird sie die letzte sein?“ Scharia macht nutzbar, islamische Nutzbarmachung.

Der Vorsitzende des ZMD Ayub Axel Köhler, Kuratoriumsmitglied der „Christlich-islamischen Gesellschaft“ und dadurch bekannt geworden, dass es ihm im Frühjahr 2007 gelang, den in Ägypten als Muslimbruder gehandelten und mit einer Frau Erbakan verheirateten Ibrahim el-Zayat in die Deutsche Islamkonferenz einzuschmuggeln. Das seltsam ungleiche Doppel Köhler und Vogel sendet die gleiche Botschaft an alle muslimischen Frauen, einen Appell, den wir ja vielleicht so verstehen dürfen:

„Für nicht linientreue Töchter islamisch sozialisierter Eltern und Straßenzüge machen Allahs Missionare keinen Finger krumm, islamkritische Ägypterinnen oder auch ’nur‘ bekennende Kopftuch-Gegnerinnen (Ägypterinnen oder Türkinnen oder türkeistämmige Deutsche) sind uns Salafisten oder uns vom Koordinierungsrat der Muslime recht egal und von ermordeten Koptinnen oder christlichen Irakerinnen möchten wir in Deutschland nicht gesprochen wissen, das wäre Hetze gegen den Islam. Vielmehr müssen wir das geradezu rassistische Lehrerinnenkopftuchverbot kippen, das einem Berufsverbot gleichkommt und das ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit ist.“

Ein Mordfall findet Verwendung. Die Deutschen sollen sich schuldig fühlen, das Denken einstellen und die Verschleierung nebst Zweitfrau und arrangierter Ehe dulden. Kopftuchpflichtige Töchter sind fortan eine eigene Sorte Schüler: Die »Spezies: Muslimisches Mädchen«, diese Schülerinnen dürfen gesonderte Rechte in Anspruch nehmen wie verweigerten Biologie- und Aufklärungs-, Sport und Schwimmunterricht. In Politik und Pädagogik, bei den deutschen Linken, Atheisten, Säkularen, Calvinisten und Freikirchlern scheint der unlogische Appell der Schariafreunde gleichermaßen zu wirken: „Islamkritik ist Fremdenhass und Frauenmord! Ihr Fremdenfeinde, ihr Frauenmörder! Wendet euch mit uns gegen jedes Kopftuchverbot!“

Die Konvertiten Köhler und Vogel reden von einer »Märtyrerin Marwa«. Die rührigen Organisatoren der aktuellen Trauerkundgebungen für die am ersten Juli 2009 im Dresdner Gerichtssaal mit achtzehn Messerstichen ermordete Marwa aš-Šarbīnī haben Anspruch, Forderung und Absicht.

Sie beanspruchen, im Sinne der von einem Deutschen getöteten Ägypterin Marwa tätig zu sein, sie fordern die unbegrenzte Duldung von Kopftuch und Burka und sie beabsichtigen die Implementierung der Scharia ins europäische und deutsche Recht. Das dürfen wir engagierte Lobbyarbeit nennen oder moralische Erpressung.

Ümmühan Karagözlü, Jacques Auvergne

(1) “Kopftuchmörder”

http://islam.de/12888.php

(2) Crime du foulard. In: Jeune Afrique

http://www.jeuneafrique.com/Article/DEPAFP20090709T151053Z/-Russie-justice-Religion-Angela-Merkel-L-Allemagne-en-introspection-apres-le-meurtre-xenophobe-d-une-Egyptienne.html

(3) frz. Wiki Ehrenmord

http://fr.wikipedia.org/wiki/Crime_d%27honneur

(4) Wiki Ehrenmord

http://de.wikipedia.org/wiki/Ehrenmord

(5) Burka, Ganzkörperverschleierung

http://cache.jalopnik.com/assets/resources/2008/03/Burka.jpg

(6) Befehl der Qaida an Frankreich: Duldet die Burka!

http://www.welt.de/politik/ausland/article4037093/Sarkozys-Burka-Verbot-erzuernt-al-Qaida.html

(7) À propos „crime du foulard“

http://www.lesquotidiennes.com/soci%C3%A9t%C3%A9/lallemagne-vit-dans-le-d%C3%A9sarroi-son-premier-crime-islamophobique.html

(8) Die WELT publiziert Ayyub Axel Köhlers Erklärung. Bemerkenswert sind die Kommentare, nicht alle Menschen fallen auf die seitens des KRM implizierte Gleichung »Kopftuchverbot = Frauenmord« herein. Erster Kommentar 09.14 Uhr, letzter Kommentar 09.57 Uhr, dann wurde, nach 43 Minuten, der Kommentarbereich wegen Verstößen gegen den guten Ton geschlossen. Drei kluge Meinungen:

»Solche deutlichen Worte des Koordinierungsrates der Muslime würde man sich auch einmal zur Situation der christlichen Kopten in Ägypten, den Christen in der Türkei, im Irak und Iran, Saudi-Arabien etc. wünschen. Oder zum Beispiel nach einem so genannten „Ehren“-Mord. Diejenigen, die weltweit unzählige „muslimische Schwestern“ demütigen und diskriminieren und ihnen selbst die grundlegendsten Rechte vorenthalten, sind in erster Linie deren Väter, Onkel und Brüder. Aber das ist ja kulturell und religiös bedingt und deswegen ok.«

»Was in aller Welt hat denn dieser durchgeknallte Messerstecher mit dem Kopftuchverbot zu tun?«

»Doch einige Millionen Muslime leben ganz normal als unsere Mitbürger hier. Sie können ihre Religion ausüben und in einer Freiheit leben, welche so weltweit nicht selbstverständlich ist. Es ist der Mehrheit der hier in Freiheit lebenden Menschen gegenüber nicht gerecht, wenn hier pauschal für Muslime eine Opferrolle vergeben wird. Die überwiegende Mehrheit ist nicht Opfer von Diskriminierung, Demütigung und Verleumdung.«

http://www.welt.de/politik/deutschland/article4079998/Marwa-wurde-aus-Hass-auf-Muslime-erstochen.html

(9) 1994 kannte auch die kulturelle Moderne einen ‚crime du foulard‘. “l’idéal de laïcité, la nécessité d’interdire les signes “si ostentatoires … Le crime du foulard est d’être facteur d’exclusion. … ” (Jean-Jacques Delfour 1994)

http://membres.lycos.fr/disclord/philo/foulard.htm

(10) Nikab, Gesichtsschleier. Öffentlicher Raum ist männlicher Raum, menschliches Gesicht ist männliches Gesicht

http://operationitch.files.wordpress.com/2009/06/burka.jpg

Enttarnung eines verkannten Symbols

April 14, 2009

Zum Kopftuchstreit. Ein Zwischenruf

Zur Resolution vom April 2009 mehrerer Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsaktivisten gegen den Kinderhidschab und das Frauenkopftuch im öffentlichen Dienst. Ein Kommentar von von Gabi Schmidt

Für Frauenrechtlerinnen und bekennende Demokratinnen ist jede Form der islamischen Verschleierung von Mädchen und Frauen Teil einer misogynen, politreligiösen Bewegung und daher weder mit den universellen Menschenrechten noch mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar. Das Kopftuch ist keinesfalls Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung und Emanzipation und daher kein „Freiheitsrecht“. Zur Freiheit das Kopftuch anzulegen gehört immer auch die Freiheit, ohne Furcht darauf verzichten zu können, um irgendwann einfach wieder nach diesem Utensil zu greifen. Wäre das Tragen des ’Schamtuchs’ (Feridun Zaimoğlu) wirklich eine individuelle Entscheidung, hätten wir allerdings keinen Kopftuchstreit und müssten nicht über angebliche berufliche “Diskriminierung im Namen der Neutralität“ (Human Rights Watch) diskutieren.

Das Verteidigen des islamischen Verschleierungsgebots mit Zähnen und Klauen sollte uns misstrauisch werden lassen gegenüber der üblichen islamischen Argumentation und politisch korrektem Appeasement. Auch wenn entgrenzt tolerante Politiker, demokratieresistente Vertreter islamischer Organisationen, äquidistante Wissenschaftler und kulturrelativistische Gutmenschen nicht müde werden zu verbreiten, im Islam gäbe es keinen Zwang im Glauben, widerlegen Augenzeugen, Statistiken über häusliche Gewalt, Polizeiberichte, muslimische Pflichtlektüren (DITIB[1], al‑Qaradawi[2]) und sogar eine Fatwa[3] diese Behauptung. Selbst moderat gebundene, mit der übrigen Kleidung geschmackvoll abgestimmte Tücher sind kein selbst gewähltes Modeaccessoire oder äußeres Zeichen selbstbewusster muslimischer Frauenpower.

Kinderhidschab und Frauenkopftuch sind das von weitem erkennbare Label eines fundamentalistisch interpretierten Islam. Eine verschleierte Passantin im Straßenbild wird eben nicht als Düsseldorferin, Kölnerin, Kollegin, Schwester, Tochter, Mutter oder einfach Sevim wahrgenommen, sie ist in erster Linie praktizierende Muslimin. Die Religionszugehörigkeit eines Menschen ist in freiheitlich demokratischen, säkularen Gesellschaften keinesfalls wichtigstes Persönlichkeitsmerkmal, in unseren Personalausweisen wird die Augenfarbe vermerkt, nicht die Religion.

Die Verhüllung greift die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mädchen und Jungen, Frauen und Männer an und diskriminiert wegen des Geschlechts, der Andersgläubigkeit oder der freiheitlicheren Auffassung des Islams. Mit der Verschleierung untrennbar verbunden ist die Abgrenzung zur nichtmuslimischen Außenwelt, die Meidung und Ausgrenzung nicht praktizierender Muslime, die Verachtung Andersgläubiger und Atheisten sowie der Hass gegen Abtrünnige. Aus dieser Haltung erwächst eine Entfremdung oder gar Ablehnung der demokratischen „Gegenwelt“, ihrer Werte und Normen und ihrer Bewohner. Das Kopftuch fordert die Unterwerfung unter die Orthopraxie und islamische Dogmatik, verbietet jede Kritik und befiehlt bedingungslosen Gehorsam. Ein heiliger Ekel gegen alles Nichtislamische muss zur zweiten Natur jeder Kopftuchträgerin werden, da sie als Rechtgeleitete eine Vorbildfunktion in Familie und sozialem Umfeld erfüllt. Respekt, soziale Anerkennung und hoher Status in der Community sowie bessere Chancen auf einen für Muslimas ohnehin schwer zu erreichenden Platz im Paradies sind der begehrte Lohn[4].

Die schariakonforme Bedeckung zwingt die verhüllten Mädchen und Frauen, sich und Glaubensschwestern wie auch alle anderen Mitbürgerinnen als Mängelwesen[5] (ausführlich: Ghadban zitiert Buchârî: „den Frauen fehle es an Vernunft und Religion …“[6]) zu akzeptieren, die sich der Herrschaft des Mannes zu unterwerfen haben. Die Verschleierung, für alle äußerlich erkennbares Symbol gottesfürchtigen Verhaltens, stempelt jede Frau als nicht gläubig genug oder gar ungläubig ab, stigmatisiert sie als unrein, genusssüchtig und leichtlebig. Der soziale Druck auf unverschleierte Säkularistinnen sich islamkonform zu bedecken wächst mit jedem hidschab. Das Kopftuch diskriminiert und beleidigt pauschal die weibliche Weltbevölkerung als teuflisch, unmoralisch und gefährlich verführerisch. Der hidschab unterstellt allen Frauen prinzipiell die Ursache für Unglauben, Zwietracht, Intrige und Zerwürfnis in der Familie und in der umma (islamische Weltgemeinschaft) zu sein. Ausnahmen kann es nach Koran und Sunna nicht geben. Jeder rechtschaffene Muslim müsse den Kontakt mit Frauen meiden. Vor allem mit Frauen, die ihr Haar offen tragen, habe er aus dem Weg zu gehen, da er nicht in der Lage sei, dem erotischen Zauber und den dämonischen Tricks ihrer Verführungskunst zu entgehen. Ein solch vormodernes, misogynes Frauenbild entwürdigt und diskreditiert emanzipierte Männer und Frauen, verhindert chancengleiche Partizipation und kollegiale Zusammenarbeit.

Die Verschleierung des weiblichen Haupthaares ist Indiz für die Sexualisierung der Frau und reduziert sie auf ihre dämonische Erotik. Der hidschab symbolisiert die islamische Verteufelung des Weiblichen. Frau ist awrah[7] und muss sich in der Öffentlichkeit in sackartige Gewänder kleiden, ihre Haare verstecken und unnötige Begegnungen mit Männern meiden. Jeder noch so unbedarfte Blickkontakt, das Händeschütteln bei der Begrüßung eines Freundes oder Smalltalk mit dem Nachbarn ist ihr verboten. Aus konservativ islamischer Sicht sind alle Frauen, die sich mit offenen Haaren in der Öffentlichkeit bewegen sexuelles Freiwild, das als Objekt der Triebabfuhr von Männern benutzt werden darf[8]. Ein derartiges Menschenbild wirft uns hinter alle Standards, die wir in den letzten hundert Jahren frauenpolitisch erreicht haben, weit zurück.

Das „Schamtuch“ ist eine mnemotechnische Stütze, die seine Trägerin ständig daran erinnert, sich islamkonform zu verhalten. Es ist das Zeichen des göttlichen Schariavorbehalts. Alle anderen rechtsverbindlichen Regelwerke, Vorschriften, Gesetzestexte, das Grundgesetz und die universellen Menschenrechte sind von Menschenhand geschaffen und daher der islamischen Pflichtenlehre als minderwertig unterzuordnen. Mit dem Anlegen des Schleiers ist eine Muslima als ein Mensch erkennbar, der die islamische Dogmatik und Orthopraxie akzeptiert und sich ihr unterwirft. Konsequenterweise sind Koran, Scharia und Sunna Leitlinien und maßgebliche Orientierungshilfen, nach denen die sichtbar Rechtgläubige ihren Alltag ausrichten muss, universelle Menschenrechte, Grundrechte und demokratische Prinzipien sind für sie damit nachrangig. Für jeden Moslem als strenggläubige Glaubensschwester auszumachen, wird jeder Regelverstoß vom muslimisch wie nicht muslimisch sozialisierten Umfeld registriert. Die Erwartungshaltung der Mehrheitsgesellschaft, der soziale Druck der Community, die Angst vor Indiskretion und Strafe reglementieren den beruflichen und privaten Alltag extrem. Lustvolles Genießen, wie ihre unverschleierten Altersgenossinnen es dürfen, ist schon kleinen Mädchen mit hidschab nicht mehr möglich.

Den Passanten auf der Straße signalisiert das Tuch auf dem Kopf, dass die Trägerin einen Besitzer (Vater oder Ehemann) hat. Der Vater kann sie als ihr wali[9] islamrechtlich einwandfrei zwangsverheiraten, der Ehemann darf sie als kostenlose Dienstmagd, Erzieherin seiner (Sorgerecht hat der Vater allein) Allah wohlgefälligen Kinder und als „zoontjesfabriek“ (Ayaan Hirsi Ali) missbrauchen. Da sie nicht nur seine Ehefrau ist, sondern sein Besitz, hat sie ihm jederzeit sexuell zur Verfügung zu stehen. Er darf sie bei Ungehorsam schlagen (Koran 4:34[10]), sie im Ehebett meiden und ohne besonderen Grund verstoßen (at‑talaq), wie er auch bis zu vier Frauen ehelichen darf. Nach islamischer Glaubenspraxis kann sich eine Muslima nicht gegen eine solche Entrechtung, Versklavung und Bevormundung wehren. Sie darf sich nur scheiden lassen, wenn ihr Mann impotent oder zeugungsunfähig ist.

Das Kopftuch fungiert als Erkennungszeichen und Argumentationsverstärker oder besser Moralkeule weltweiter Islamisierung und Fundamentalisierung. Der Druck auf die Mütter durch Sippe, soziales Umfeld und islamische Würdenträger, die schariakonforme Bedeckung notfalls mit Gewalt durchzusetzen, ist ungeheuer groß. Mit jedem weiterem hidschab im Straßenzug potenziert sich die Deutunghoheit der Kopftuchlobby über islamische Rechtgläubigkeit. Das Kopftuch wird zur Visitenkarte islamischer Gegengesellschaft, es ist gewissermaßen das Kopftuch selbst, was den Nichtmuslimen oder auch Muslimen erklärt, was wahrer Islam ist. Die Trägerin des hidschab kann sich als Avantgardistin fühlen und wird, leidet sie wunschgemäß unter der säkularen Gesetzgebung wie dem Lehrerinnenkopftuchverbot, unter Fundamentalisten nahezu als Märtyrerin gehandelt (literarisch bei Orhan Pamuk: Schnee[11]). Vereinzelt ist der Kopftuchdschihad bereits subventioniert worden, so finanziert die vom Verfassungsschutz beobachtete Milli Görüş Stipendien für türkischstämmige Studentinnen in Europa (natürlich nicht in Frankreich, wo, wie in der Türkei, Studentinnen in allen Universitäten kein Kopftuch tragen dürfen) mit monatlich 300 bis 400 €[12], [13].

Auch ohne Worte zwingt dieses Kleidungssymbol mehr und mehr muslimische Eltern dazu, ihre Töchter an das „Schamtuch“ zu gewöhnen, um sie vor Verachtung, Ausgrenzung und der imaginierte Hölle zu schützen sowie um selbst Allahs Strafgericht und der sozialen Exklusion zu entgehen. Das Kopftuch ist Werkzeug geheiligten Diskriminierens, wir sollten von Kopftuchmobbing sprechen. Multikulturalisten, die den Schleier als individuellen Weg der Selbstfindung und Emanzipation muslimischer Frauen missdeuten, fallen auf die politreligiöse Propaganda islamistischer Agitatoren herein und erschweren muslimisch sozialisierten, jedoch säkular denkenden Familien die Argumentation und die Entscheidung gegen das islamische Bedeckungsgebot. Es gilt zu erkennen, dass falsch verstandene, entgrenzte Toleranz, Dialogbereitschaft um jeden Preis und kultursensibles Gutmenschentum einer freiheitlichen, eben nicht theokratischen Demokratie schadet, während Appeasement den Einfluss integrationsresistenter, islamistischer Organisationen stärkt. Derartige politische Korrektheit hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Anzahl der verschleierten Frauen und Mädchen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Viele Grundschülerinnen verlassen bereits das Haus nicht mehr ohne Kopftuch, selbst in Kindergärten sieht man neuerdings Drei- und Vierjährige mit hidschab. Das Kopftuchgebot diskreditiert somit bereits diese kleinen Mädchen als Verführerinnen, wertet sie ab zum bloßen Sexualobjekt.

Nicht nur der Europaabgeordneten Renate Sommer und der Frauenrechtlerin Mina Ahadi gilt der Kinderhidschab als Kindesmisshandlung und Kinderrechtsverletzung. Die mit der Verschleierung untrennbar verbundene Gender‑Apartheid sowie die mit der „Bedeckung“ grundsätzlich einher gehenden, vormodernen Denk-, Verhaltens- und Erziehungsmuster verstoßen gegen das Recht junger Menschen auf eine gleichgestellte und gewaltfreie Erziehung. Fundamentalistische Weltbilder, anerzogene Leidensfähigkeit und Schicksalsergebenheit sowie durch schwarze Pädagogik eingeprügelter, absoluter Gehorsam und blanke Angst, in konservativen, die islamkonforme Bedeckung bejahenden muslimischen Familien keine Seltenheit[14], gefährden das Kindeswohl. Sie behindern eine altersgerechte, weitgehend eigenverantwortliche und selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung. Chancengleiche Partizipation an der (Er‑)Lebenswelt Gleichaltriger unabhängig von Geschlecht, kultureller Herkunft, Religionszugehörigkeit oder sonstiger Weltanschauung ist strenggläubig sozialisierten Musliminnen bereits in jungen Jahren nicht möglich.

Mädchen wird so eine unbeschwerte Kindheit vorenthalten. Sie werden dazu missbraucht, für ein patriarchalisches Weltbild Reklame zu laufen, deren Auswirkung und Bedeutung sie noch nicht begreifen und erfassen können. Spielkameradinnen dürfen sie sich nicht selber aussuchen, diese stammen meist aus der eigenen Familie. Das Grundrecht auf freie Glaubensausübung und religiöse Erziehung deckt körperliche Misshandlung, seelische Grausamkeit oder Einschüchterung keinesfalls ab, die physische wie psychische Gesundheit, die gelingende altersgemäße Entwicklung und chancengleiche Förderung von Mädchen und Jungen zu selbstbewussten, eigenständig handelnden, kritisch denkenden Persönlichkeiten darf durch das elterliche Verständnis von Sittlichkeit, Tugend und religiöser Pflicht nicht gefährdet werden.

Kleidung hat eben nicht nur die praktische Funktion, uns vor Kälte und Nässe zu schützen, sie ist auch Symbol für die berufliche Funktion, den sozialen Status, das soziale Umfeld und gibt Einblick in Werte, Haltungen und Weltanschauung unseres Gegenübers. Während die Uniform eines Polizisten Rechtsstaatlichkeit und Schutz signalisiert, steht das Kopftuch für Gender‑Apartheid, Segregation und ein frauen- wie männerfeindliches Menschenbild, das mit dem Grundgesetz und den universellen Menschenrechten nicht kompatibel ist.

Wer an staatlichen Schulen junge Menschen zu demokratischen Persönlichkeiten erziehen und bilden will, darf unabhängig vom Alter der Schülerinnen und Schüler auch durch seine Kleidung keinen Zweifel an seinem Bekenntnis zur Verfassung aufkommen lassen. Eltern, die ihre Töchter und Söhne an staatlichen Schulen angemeldet haben, weil sie Wert darauf legen, dass die jungen Menschen auch außerhalb der Familie in der Tradition von Humanismus und Aufklärung erzogen, unterrichtet und zu demokratischen Persönlichkeiten gebildet werden, haben das Recht, sich darauf verlassen zu können, dass ihre Kinder während des Aufenthalts in der Schule und bei Schulveranstaltungen keiner weltanschaulichen Propaganda oder politischen Beeinflussung ausgesetzt sind. Ähnliches gilt in der Rechtspflege, auch dort gilt es zu verhindern, dass mit religiösen Sinnzeichen Loyalitätszwang oder Beeinflussung ausgeübt werden.

Den gebetsmühlenartig wiederholten Behauptungen islamistischer Multiplikatoren, kultursensibler Gutmenschen und islamwissenschaftlicher Mietmäuler[15], die Kopftuchverbote einiger Bundesländer würden gegen die Religionsfreiheit verstoßen, widersprechen wir Frauenrechtler und Demokraten aufs Schärfste. Wir sind nicht mehr bereit, die larmoyante Selbststigmatisierung als (angebliches) Opfer von (beruflicher) Diskriminierung sowie die provokant legalistische Einforderung von „Menschenrechten à la carte“ (Arzu Toker) hinzunehmen. Ein Verschleierungsverbot diskriminiert keinesfalls „moderne, selbstbewusst-emanzipierte Muslimas im Namen der Neutralität“, wie eine Studie von Human Rights Watch festgestellt haben will[16]. Musliminnen mit Hidschab werden weder gezwungen, sich zwischen Beruf und Religion zu entscheiden noch in traditionelle Aufgabenbereiche zurückgedrängt (Kinder, Küche, Religion / Kirche und Krankheiten). Sie werden durch ein staatliches Kopftuchverbot auch nicht einer vormodernen Rollenzuteilung unterworfen und zu einem Dasein als „Mutter und Nur‑Hausfrau“ verdammt. Die Verpflichtung, das Verfassungsprinzip der Trennung von Staat und Religion sowie der im Grundgesetz garantierten negativen Religionsfreiheit zu respektieren ist nicht verhandelbar.

Wir fordern daher ein bundesweites Verbot des Kinderkopftuchs in der Öffentlichkeit für Mädchen bis vierzehn Jahren. Darüber hinaus setzen wir uns für das Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst ein. Die Beschäftigten in Institutionen der Verwaltung, der Justiz sowie des Erziehungs- und Bildungswesens sind Repräsentanten und Funktionsträger des säkularen, freiheitlich demokratischen Rechtsstaates. Sie haben den Anspruch auf und die Verpflichtung zur neutralen Kleidung während ihrer Dienstzeit, ohne die eine wertschätzende und bürgernahe kollegiale Zusammenarbeit kaum möglich ist.

In Gerichtsgebäuden, Schulen und Kindergärten halten wir das grundsätzliche Kopftuchverbot für unverzichtbar. Im Gerichtssaal muss zum Schutz der Zeugen und Angeklagten garantiert sein, dass selbst jede unterschwellige Beeinflussung von Plädoyer, Zeugenaussage und Urteil durch politreligiöse Symbole ausgeschlossen ist. Nur gänzlich kopftuchfreie Kindergärten garantieren, dass Mädchen und Jungen unabhängig von Religion, kultureller Herkunft und sonstiger Weltanschauung einen Freiraum nutzen und genießen können, in dem sie vor orthodoxer islamischer Indoktrination verschont sind.

Gabi Schmidt