Türkische Verbände ziehen es vor, dem Integrationsgipfel der Bundesregierung fern zu bleiben
von Jacques Auvergne
Vierundzwanzig Stunden vorher sagten sie ab. Den dramatischen Effekt haben die Sprecher der türkisch-islamischen Verbände in Deutschland (TGD, DITIB usw.) sicherlich sorgsam kalkuliert, zusätzlich sind sie vielleicht auch überfordert sowie untereinander uneins. Ihr islamischen Verbandsvertreter – lasst mich euch so ansprechen.
Warum missfiel euch diese von Merkel und Schäuble bereitete Chance eines gemeinsamen Gespräches mit der Bundesregierung derartig, dass sie den Integrationsgipfel kühl verschmähten?
Zur Erhellung eurer Motivation mag ein im Internet veröffentlichtes Schreiben dienen, das sich auch auf den zweiten Blick mit den bezeichnend dürren Aussagen der islamischen Verbandsvertreter kongenial zu decken scheint.
Auch auf euer larmoyantes und albernes Beleidigtspielen über das eurerseits erwünschte extrem niedrige Nachzugsalter für eure Heiratspartner gehen wir im Folgenden ein.
Ja, allerdings verlangen wir Demokratinnen und Demokraten, dass eure Frauen und Männer den Islam verlassen dürfen, ohne totgeschlagen zu werden oder schärfstem sozialem Mobbing seitens von Allahs Fußvolk in ihrem bundesdeutschen Kiez ausgesetzt zu sein.
Ja, wir Demokratinnen und Demokraten verlangen allerdings von euch, den Koran als zeitbedingt, als mysogyn (frauendiskriminierend) und als neurosenah sehen zu dürfen und das auch sagen zu können, was eure intelligentesten und/oder mutigsten Frauen und Männer weltweit längst taten und tun und weshalb sie sich in der freien Welt vor euch Islamisten verstecken mussten und bis auf Weiteres zumeist auch verstecken müssen.
Ja, wir Demokratinnen und Demokraten verlangen die Anerkennung von lesbischen oder schwulen Lebensentwürfen, eine persönliche Selbstbestimmtheit, die wir nicht zuletzt auch den lesbischen Muslimas in Deutschland und Europa oder den schwulen Muslimen in Deutschland und Europa garantieren.
Vorsicht bleibt ohnehin geboten, ob eine jede staatliche Selbstverpflichtung mit Islamverbänden nicht der Einführung der Dhimmitude nahe kommt, mithin der Etablierung eines politreligiösen Dar al-Islam frischer Eroberung. Islamisten jedenfalls hätten gegen solches auch gar nichts einzuwenden und den schafblöden Europäern ist dieses religionsrechtliche Problem bislang kaum aufgefallen.
Ihr türkischen Islamverbände in Deutschland habt ein Problem: die Orthodoxie in Ghom, Nadjaf oder an Kairos Al-Azhar-Universität beharrt seit Jahrhunderten auf einer grundsätzlichen und weltweiten Geltung des genannten sklavenhalterischen und totalitären Religionsrechtes, der repressiven Scharia. Da sich aber auch Europas, Nordamerikas und Australiens bzw. Neuseelands Islamverbände nicht von den theokratischen Rechtsgelehrten ihrer islamischen Herkunftskulturen distanzieren können ohne als Verräter oder Apostaten (Abtrünnige, vom Glauben Abgefallene) zu gelten, werden beide und werdet auch ihr von TGD oder DITIB die Scharia nicht als unzeitgemäß zu erklären wagen, sei es in Kairo, Istanbul oder Köln.
Ihr wollt die Scharia an Rhein und Elbe, um ins koranisch verheißene Paradies zu kommen. Ihr wollt das Kalifat, sonst gibt`s Minuspunkte bei der Auferstehung, so erzählt ihr in euren Koranschulen. Ihr haltet, gesteht uns das, die Scharia dem Grundgesetz für sittlich überlegen.
Die antidemokratischen Fanatiker unter den Muslimen tun dieses aus Überzeugung, die anderen wohl eher aus einem gewissen brutalen Konformitätsdruck. Denn wer als Türkin oder Türke den zeitbedingten, frauenfeindlichen und neurotischen Koran kritisiert, die oder der sollte an der rheinischen Haustüre besser kein Klingelschild mehr haben. Deshalb also schweigen 90% der Muslimas und Muslime zu ihrer Religion, schon weil ihr ihnen durch generationenlange Gehirnwäsche Angst vor Allahs Höllenstrafen anerzogen habt. Deshalb bleibt der weltweite Islam im Würgegriff der radikalen Demokratiehasser, der ’frommen’ Theokraten. Denn von zwei Gläubigen hat der Radikalere halt stets Recht.
Der Islam ist eine Geisel seiner eigenen beiden Extremismen: seines bronzezeitlichen Traditionalismus und seines pseudomodernen Islamismus. Islamkritik ist verboten, kritisches Denken überhaupt. Denken überhaupt. Deshalb gehen keine Nobelpreise in islamische Staaten und deshalb ist den religiösen Führungskreisen an einem permanenten wie fortgesetzten Dummhalten der Basis gelegen. Protest der Bildungsfernen etwa an der Staatsregierung von Pakistan oder Ägypten findet so immer nur mit ’dem’ Buch in der Hand statt und gleicht dem immer neu inszenierten rituellen Vatermord. Der monströs große, willkürliche und brutale innere Vater, den es auszulachen gälte, er bleibt unerkannt.
Alle islamischen Staaten zwischen Marokko und Indonesien sind vorläufig wenig mehr denn soziale Hühnerleitern (Gerangel an der Futterkrippe) oder auch Haifischbecken (Kannibalismus; Treibjagd gegen Dhimmis und Apostaten), alle islamischen Staaten können nicht viel mehr, als auf die Option Militärdiktatur oder auf die Option Gottesstaat zurückgreifen. Bronzezeitliche oder sogar steinzeitliche vorislamische Rituale wie die Klitorisamputation Ägyptens, die vormoderne Routine-Jungenbeschneidung, das blutige Bettlaken der Hochzeitsnacht, die Blutrache Albaniens oder die Ehrenmordpraxis Anatoliens werden im derart versteinerten und fortschrittsfeindlichen Islam nahezu perfekt konserviert. Europas gynäkologisch Ausgebildete beginnen, Jungfernhäutchen rekonstruieren zu lernen. Berliner Türkinnen gehen dazu neuerdings als Nichtmehrjungfrau bzw. Nochnichtjungfrau ins grenznahe polnische Szczecin / Stettin – abartig, sexistisch und vormodern.
Ja, die absolute Gleichwertigkeit der Geschlechter verlangen wir Demokraten von euch islamischen Verbandsvertretern anzuerkennen. Es sind auch Muslimas und Muslime unter uns islamkritischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, aber auch Atheistinnen und Atheisten und sogar Exmuslimas und Exmuslime.
Ja, wir erwarten, dass eure Töchter und Söhne am Sexualkundeunterricht staatlicher Schulen teilnehmen.
Ja, wir muten euren Töchtern und Söhnen zu und wir trauen es ihnen zu, dass sie sich mit Pädagogik, Psychologie, Religionswissenschaft, Menschenrechten, Geschichte und Politik befassen. Sie werden ihren – und deinen – Erziehungsstil in Frage stellen, deine Vorstellungen von Sitte. Wir werden sie darüber hinaus dazu ermuntern, ihren Lebensweg selbst zu gehen, ihre Lebensgeschichte selbst zu schreiben und wir versuchen dafür zu sorgen, dass du sie möglichst wenig daran hinderst.
Die koranisch legitimierte geringere Stellung der Frau (geringwertige Frauenaussage vor Gericht; nur 50 % des Erbes) wird jede Demokratin und jeder Demokrat angreifen müssen, gleich welcher Religion oder Nichtreligion. Ihr Verbandssprecher von TGD und DITIB seid eingeladen am demokratischen Haus Deutschland mitzubauen … oder auch nicht mitzubauen. Dann bleibt, ihr Vertreter vom ’Türkischer Gemeinde’ oder vom ’Anstalt für Religion’, dann bleibt den demokratischen Integrationsgesprächen bitte einfach fern.
Ihr seid fern geblieben. Ihr habt euch in eure Parallelgesellschaften verkrochen, die straßenzugweise leider bereits den Charakter einer antidemokratischen Gegengesellschaft hat.
Denn das unterstellen wir euch: ihr seid bestrebt, die Kluft zwischen Nichtmuslimen und Muslimen zu vertiefen. Darin ähnelt ihr ironischerweise ’unseren’ Rechtsextremisten, wenngleich letztere auch überwiegend anders motiviert sind. Den Hass auf die Moderne teilen allerdings beide, die Unterdrückung der Frau, die vormoderne Auffassung von Sexualität einschließlich Homosexualität sowie die hierarchisch-undemokratische Gesellschaft, das gefällt beiden, euch Islamisten wie ’unseren’ Neonazis.
Wir haben nichts zu verhandeln, ’ein bisschen Scharia’ ist mit uns nicht zu machen.
Und eben darum muss es der Demokratie gehen, auch und gerade den muslimischen Demokratinnen und Demokraten weltweit: die totalitäre Scharia als unzeitgemäß zu erklären, das islamische Religionsgesetz als Hindernis zu verstehen auf dem Weg hin in Gesellschaften, die den Namen kulturelle Moderne wirklich verdienen.
Ja, ihr werdet es dulden müssen, dass wir Europäer uns über Religionen lustig machen. “Es gibt kein Recht darauf, nicht beleidigt zu werden“, sagte dazu einmal jemand. Etliche eurer Intellektuellen künstlerisch Tätigen sind vor Leuten wie euch aus Iran oder Ägypten zu uns nach Europa geflohen, eben gerade um sich ironisch oder kreativ über die Kriecherei und Korruption des islamischen Innenlebens lustig zu machen. Die schreiben längst auch Bücher (Rushdie) oder malen Cartoons (Satrapi), die sind längst juristisch, pädagogisch oder psychologisch ausgebildet. Und sie, Muslimas und Muslime wohl gemerkt, haben wenig Lust, sich von euch Theokraten nun, statt am Kaspischen Meer oder am Nil, nun auch an Rhein oder Nordsee gängeln zu lassen.
In vielen Aspekten ist der zeitbedingte und manichäische Koran heute, in einer Kultur, die auf Individualität und Emanzipation, das heißt auf ein selbst bestimmtes Leben der oder des Einzelnen Wert legt, als entwicklungsfeindlich anzusehen. Der Scharia-Islam ist als unterdrückerisch, antisemitisch und quasi-rassistisch anzusehen. Als Stütze einer individuellen Spiritualität mag der Koran dem muslimischen Menschen dienen (müssen) oder auch nicht, doch sehr viel mehr kann Religion in der säkularen Moderne nun nicht sein denn individuelle Spiritualität.
Distanziert euch von jeder Scharia. Predigt den Verzicht auf das Kalifat.
Einen ’wahren Gott’ anerkennt Demokratie nicht. Fundamentalistischen Demokratieskeptiker haben wir Europäer selber, Kreationisten, Evangelikale, Mormonen, Jehovas Zeugen und viele andere Spinner. Mit dem Unterschied, dass nörgelnde Muslime Bomben in Madrid und London legen, verbiesterte Neuapostoliker aber keine Raketen auf Kairo oder Islamabad abfeuern. Ihr Islamisten jedoch sprengt euch im Irak zum Freitagsgebet wechselseitig aus der Moschee und drangsaliert, foltert oder ermordet Christen in vielen islamisch geprägten Staaten, so viel hat sich mittlerweile herumgesprochen über den ’friedlichen’ Islam.
Ihr ermordet Homosexuelle in Bangladesch, ihr hackt Dieben die Hand ab im Iran, ihr steinigt Ehebrecherinnen an so vielen Orten. Zugegeben, vor 500 Jahren haben wir Europäer das auch gemacht mit Indios, Waldensern oder Hexen, aber wir haben ein bisschen dazu gelernt. Nun lernt ihr Muslimas und Muslime mal, es wird euch nicht schaden.
Wir verstecken eure islamkritischen Intellektuellen vor euch, wir verteidigen lesbische und schwule muslimische Menschen vor euch, zu uns flüchten eure Frauen und Töchter vor der Ehrenmordpraxis oder der allgegenwärtigen arrangierten Ehe. Und wir laden euch zum Integrationsgipfel.
Ihr bliebt fern. 2007.
Welche Ausreden, welches larmoyant inszenierte Wehgeklage und welche raffinierten Beschuldigungen lasst ihr euch 2008 einfallen?
Im Scherz: lebe nicht in Deutschland, lieber Islamverbandsvertreter, wechsle doch einfach deinen Wohnort: die Vereinigten Arabischen Emirate sind für ihre Toleranz gegenüber lesbischen oder schwulen Lebensentwürfen berühmt, Saudi-Arabien ist für seine Freiheit des Religionswechsels anerkannt, Ägypten für seinen humanen Strafvollzug und Algerien für die Transparenz seiner Gerichtprozesse. Was also machst du an Donau, Rhein, Main, Elbe oder Spree? Das im Scherz.
Im Ernst: wir muten dir Einiges zu, ja. Und wir trauen es dir zu. Demokratie ist eine Zumutung. Trau dich.
Jacques Auvergne
· Inflation, Bankenkrise, Krieg — wohin steuern wir? · Vortrag von Ernst Wolff "München, 14. Mai 2023 — Die Welt…