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Parteiische Frauenarbeit in Kriseneinrichtungen

Mai 1, 2009

Dr. Ludwig Zimmermann
Psychologe, Lebens- und Eheberater bei
Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat
68159 Mannheim

Ümmühan Karagözlü

(alle Personen- Vereins- und Ortsnamen wurden von der Redaktion des Blogs Schariagegner geändert)

Sehr geehrte Frau Karagözlü,

als Psychologe bin ich Mitgründer von ’Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat’, einer Menschenrechtsorganisation für Beratung und Fluchthilfe für in Deutschland und Österreich lebende Frauen, die von islamischem Fundamentalismus, Zwangsheirat und Ehrverbrechen bedroht sind.

Prinzipiell bin ich gegen jeglichen Zwang in der Religion, was sich für Fundamentalisten jeder monotheistischen Religion aber gegenseitig ausschließt: die geforderte Unterwerfung unter die Herrschaft des jeweiligen Gottes von Christen, Juden oder Muslimen ist identitätsbegründender Kern dieser Religionen, die übrigens, wie alle anderen Weltreligionen auch, von Männern gegründet, ausgebildet und mit Inhalt gefüllt und damit zutiefst patriarchalisch im Denken und Handeln sind. Kein Wunder sind alle somit auch frauenverachtend bis frauenfeindlich.

Leider sind dogmatisch starre und auf (ebenfalls männliche) identitätsstiftenden Grundsätzen fußende politische Parteien, egal ob rechts oder links, in dieser Hinsicht nicht besser: Männer kümmern sich um die Welt und Frauen sollen zuhause bleiben und sich um die K’s kümmern (Kinder, Kirche, Küche, Krankheiten…) und wenn sie raus wollen in die Welt außerhalb des Heims, sollen sie sich anständig anziehen und verhalten und zufrieden sein mit dem Platz, den sie in Kirchen und Gotteshäusern von Männern zugewiesen bekommen. Im besten Fall sollen sie die Doppelbelastung tragen, die Beruf und Familienbetreuung bedeuten; kein Mann, welcher Religion oder Kultur er auch angehört, würde das mitmachen.

So ist es kein Wunder, dass und wie fundamental gläubige Muslime ihre Haltung zu Frauen definieren und denen zwangsweise Befolgung von Regeln auferlegen, wovon das Verhüllen des Kopfes oder gar des ganzen Körpers nur eine ist, wenn auch eine deutlich sichtbare. Als „Eigentum“ ihrer Väter, Brüder und Männer werden sie sich unterwerfen und fügen müssen oder sie riskieren Leib und manchmal auch Leben. Ganz so schlimm sind die Folgen für Regelübertretungen im Christentum zwar nicht mehr, aber es ist noch nicht lange her, dass z. B. unverheiratete, geschiedene oder alleinerziehende Frauen mit Ausgrenzung, Verachtung und misstrauischer Ächtung zu kämpfen hatten.

Wenn Sie also gegen das Tragen von Kopftuch u. ä. Kopfbedeckungen bei Mädchen (es muss „Mädchen“ und nicht „Kinder“ heißen, Jungen unterliegen diesen Geboten bekanntlich ja nicht) in der Öffentlichkeit sind, weil das ihnen aufgezwungen wurde und gleichzeitig religiös begründete, frauenverachtende Haltungen aufzeigt, stimme ich Ihnen voll zu.

Aber gleich nach dem Staat zu rufen, er möge so was allgemein verbieten, findet überhaupt nicht meine Zustimmung: das ist eine hohle, politisch nicht durchsetzbare Forderung, die letztlich an unserem Grundgesetz scheitern sollte. Wenn einzelne Kindergärten und Schulen eigene Bekleidungsregeln aufstellen (z. B. Schuluniform), so haben Eltern zumindest eine Wahl und können sich nach Alternativen umsehen. Mit Verbot und Strafen sind menschliche Dummheit, Verblendung und unrechtes Handeln noch nie aus der Welt geschafft, höchstens kriminalisiert worden. Da sollte uns das Deutschland, das kurzerhand alles, was seiner Führung nicht genehm erschien, bei Strafe verbot – das Haben und Äußern eigener Meinung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Privaten, wie im Beruf etc. etc…, aber nach 40 unsäglichen Jahren glanzlos scheiterte, eine ewige Lehre sein. Man muss manche Ungerechtigkeit und falsches Verhalten aushalten lernen, um es so und dauernd bekämpfen und sich dagegen zur Wehr setzen zu können!

Ich bin auch gegen das Verschleiern von Mädchen im Kindesalter und zwar prinzipiell und ohne Ausnahme. Staatliche Verbote zu fordern halte ich aber für völlig falsch und übrigens, wie dargelegt, auch für undurchführbar.

Freundlich grüßend, und kämpfen Sie weiter gegen religiösen Wahn, Unterdrückung und Missachtung von Menschen- und Frauenrechten.

Ich schreibe Ihnen diese Zeilen privat und nicht als Vereinsmitglied des Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat!

Mit freundlichen Grüßen

Ludwig Zimmermann

Sehr geehrter Dr. Ludwig Zimmermann,

es ist Ihnen gelungen, mich in ungläubiges Staunen zu versetzen. Als Sozialpädagogin in der Lern- und Sprachförderung und in der parteiischen Mädchenarbeit tätig, leite ich eine integrative Mädchengruppe, in der junge Menschen mit und ohne Handicap unabhängig von Religion, Kultur und Herkunft miteinander lernen, ihre Umwelt entdecken und phantasievoll verändern und auch sonst eine Menge Spaß bei Ausflügen und kreativem Gestalten miteinander haben.

Zunächst möchte ich begründen, warum ich den Begriff Kinderhijab weiterhin vorziehen möchte.

Wenn wir uns wirksam für Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter einsetzen wollen, ist es von großer Bedeutung junge Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit in erster Linie als Kinder zu akzeptieren und zu respektieren. Wird diese betont geschlechtsneutrale Einstellung und Haltung zum Selbstverständnis und Qualitätskriterium der angestrebten gleichheitsfeministischen Sozialisation und Begegnung, fördern und unterstützen wir eine möglichst selbstbestimmte und individuelle Persönlichkeitsentwicklung bei Mädchen und Jungen, die eben nicht an geschlechtsspezifische Rollenkonzepte gebunden ist. Die Vorliebe kleiner Mädchen für Puppen und die Farbe rosa ist nämlich nicht an das zweite X Chromosom gebunden und daher auch nicht genetisch vorbestimmt.

Es trifft zwar zu, dass Jungen ihr Haar im Scharia-Islam nicht bedecken müssen, doch hat die fundamentalistische Verschleierung von Mädchen und Frauen schon sehr früh Auswirkungen auf das indoktrinierte Selbst- und Männerbild der heranwachsenden Machos sowie deren Einstellung zu Mädchen und Frauen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Eltern, Sippe, muslimischer Community und kultursensiblen Gutmenschen bauen und festigen sie von Kindesbeinen an Patriarchat und Kalifat. Die Bezeichnung Mädchenkopftuch bei Kindergartenkindern und Grundschülerinnen ist daher unfair. Sie schiebt die Verantwortung für die angeblich freiwillig gewählte Andersartigkeit und Fremdheit von Musliminnen sehr einseitig äußerst kindlichen, meist noch androgyn wirkenden Mädchen zu, die sich auf Grund entwicklungsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit und mangelnden Durchsetzungsvermögens nicht gegen das

Sexualisieren ihres Kinderkörpers, das Dämonisieren ihrer Kinderseele und die Abwertung ihres kindlich unbedarften Wesens als moralisch verwerflich durch muslimische Fundamentalisten nicht zur Wehr setzen können. Nebenbei, nach SGB VIII § 7 (1) ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, Kind im Sinne der §1 (2) ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

Selbst wenn Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frau und Mann in der Bundesrepublik durchaus noch ausbaufähig sind und selbst unsere Sprache patriarchalisch gefärbt ist, leben wir in einer Gesellschaft, die sich freiheitlich demokratisch nennen darf. Eine solche politische Ordnung bietet jedem einzelnen Bürger verbriefte Grundrechte und viele individuelle Chancen der Selbstverwirklichung und persönlichen Entwicklung. Sollen diese Handlungsfreiheiten und Gestaltungsspielräume von jedem gleichberechtigt genutzt werden, muss der Einzelne Verantwortung für sich und andere übernehmen und nach demokratischen Grundsätzen gemeinsam vereinbarte Regeln einhalten.

In den folgenden Abschnitten werde ich versuchen, an einem Beispiel zu erklären, welche Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten der einzelne Staatsbürger in einem Staat wie der Bundesrepublik Deutschland hat und welche wichtige Funktion Regeln und Verbote haben.

Anders als zur Zeit des Absolutismus ist das Volk Träger der Staatsgewalt. Jeden einzelnen Bürger könnte man sich daher als Leiter einer Firma vorstellen, den Staat als unseren Musterbetrieb. Das Produkt, das hergestellt werden soll, ist der säkulare, freiheitlich demokratische und soziale Rechtsstaat. Die Politiker in den Parlamenten sowie die Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst sind die weisungsgebundenen Mitarbeiter, die mit dem Bürger in seiner Funktion als „Firmenchef“ in den Abteilungen Entwicklung (Legislative), Fabrikation (Exekutive) und Qualitätskontrolle (Jurisdiktion) Hand in Hand an der Herstellung und Optimierung des Erzeugnisses Demokratie arbeiten.

Zu den wichtigsten Führungsaufgaben des Firmenchefs gehört es, als Primus inter pares die einzelnen Arbeitsschritte im Produktionsablauf seines Betriebes „Staat“ genau zu beobachten. Um sich der Bereitschaft der Mitarbeiter zu versichern, sich für Erfolgschancen und Gewinnmaximierung der Firma auch außerhalb des zugeteilten Aufgabenbereichs aktiv einzusetzen, wird sich der Bürger als Chef seines Unternehmens persönlich um beste interne materielle, möglichst individuelle Arbeitsbedingungen bemühen und sich extern für förderliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen engagieren. Im Interesse des Betriebsfriedens und der reibungslosen, kollegialen Zusammenarbeit ist es beispielsweise durchaus sinnvoll, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. Selbst wenn Verbote tatsächlich ihre abschreckende Wirkung verfehlen würden, lassen sich aus diesen Vorschriften jedoch Empfehlungen ableiten, wie jeder einzelne weitgehend konfliktfrei mit anderen zusammenleben und -arbeiten kann.

Selbstverständlich ahndet die Unternehmensleitung Ordnungswidrigkeiten, missbilligt Mobbing und „kriminalisiert“ schwere Verstöße wie Diebstahl von Firmeneigentum, rassistische Beleidigungen von Kollegen und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Den Tätern verdeutlichen wir beispielsweise durch Personalgespräche, Abmahnung, Kündigung und nötigenfalls Strafanzeige, dass sie gegen demokratisch vereinbarte Abmachungen verstoßen haben, die den Betriebsfrieden gefährden und eine reibungslose Zusammenarbeit erschweren. Es gilt jedoch das Übermaßverbot, sogar Straftäter werden resozialisiert und erhalten eine zweite Chance.

Wie alle erfolgsorientierten Firmenchefs werden die Bürger als Arbeitgeber des Staates Qualitätszirkel (Arbeitskreise, Ausschüsse) einrichten, in denen die Mitarbeiter (Politiker, Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst) Verbesserungsvorschläge besprechen können. Die werden dann geprüft, demokratisch abgestimmt und entsprechend umgesetzt, noch einmal überdacht oder eben verworfen. Ein Chef, der sich aber nur auf gute Zusammenarbeit, Innovation und Kompetenz seiner Mitarbeiter in den verschiedenen Produktionsabteilungen und Arbeitskreisen verlässt, wird mit seinem Betrieb bald Konkurs anmelden und das Insolvenzverfahren einleiten müssen. Der „Firmenleiter“, in unserem Beispiel das Volk, muss Eigeninitiative ergreifen und sich bei kritischen Situationen lenkend einschalten. Er ist gut beraten, das Subsidiaritätsprinzip beachtend, sich dazu aller rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mittel zu bedienen. Sind alle niederschwelligen Möglichkeiten ausgeschöpft, muss er die „Abteilung Entwicklung“, in unserem Beispiel die Legislative damit beauftragen, nach einer mehrheitsfähigen Lösung des Problems zu suchen.

Jeder Bürger ist somit persönlich für das Gütesiegel seines Firmenerzeugnisses „Demokratie“ mitverantwortlich. In den Händen jedes Einzelnen liegt die Fürsorgepflicht für seine Familie, für Nachbarschaft und soziales Umfeld (Stichwort unterlassene Hilfeleistung) sowie für die Selbstvorsorge. Unsere Umwelt- und Lebensbedingungen gestalten nicht König, Gottheit oder Schicksal, sondern wir Staatsbürger.

Nun stellt sich die politische Situation der Bundesrepublik folgendermaßen dar:

Nachweislich ist es uns nicht gelungen, endlich auch die muslimisch sozialisierte allochthone Bevölkerung zu bestärken, an möglichst vielen Angeboten der beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Selbstverwirklichung teilzunehmen. Die Bundesregierung hat ihr Ziel die Arbeitslosenquote in dieser Bevölkerungsgruppe zu senken trotz geförderter Sprachangebote, Orientierungskurse und sonstiger Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene und junge Menschen nicht erreicht. Sozialpädagogische Dienstleistungsangebote wie Erziehungs- und Familienberatung, Jugendgerichtshilfe, frühkindliche Lern- und Sprachförderung sowie berufliche (Wieder )Eingliederung haben nicht dazu beigetragen, die Anzahl der muslimisch sozialisierten Familien, die von finanziellen Unterstützungsleistungen des Staates abhängig ist, zu verringern. Selbst eigene Organisationen wie beispielsweise der türkische Elternverein, muttersprachige Integrationslotsen [1] oder die in den Kommunalverwaltungen ansässigen Integrationsräte (Ausländerbeirate) haben nicht verhindern können oder wollen, dass sich Gegengesellschaften mit mehr oder weniger autarken Substrukturen etabliert haben, in denen eigene Gesetze, nämlich Koran, Sunna und Scharia gelten.

Gründe

Kulturrelativistisches Gutmenschentum, entgrenzte Toleranz und Dialogbereitschaft um jeden Preis, auch mit als radikal und extremistisch bekannten Gesprächspartnern haben nachweislich leider nur den Einfluss und die Macht von verfassungsfeindlichen, islamistischen Verbänden und Organisationen gestärkt, die sich die Deutungshoheit über Islam, Integration und demokratische Prinzipien anmaßen. Durch diese Diskussionsforen, Dialogveranstaltungen und nicht zuletzt durch die Deutsche Islamkonferenz aufgewertet, werden Fundamentalisten nicht müde, Grundrechte à la carte für Muslime einzufordern, um die Demokratie legalistisch auszuhöhlen. Gemeinsam mit dienstbeflissenen Prominenten aus Forschung, Bildungspolitik und Kirche hat ihre harte Agitation wesentlich dazu beigetragen, dass bisher alle Bemühungen gescheitert sind, Einwanderer aus islamischen Herkunftsländern zu motivieren, sich mit der deutschen Wahlheimat zu identifizieren. Hoher Konformitätsdruck, Familialismus, patriarchalische Überwachung, häusliche Gewalt, Bedrohung von Gesundheit und Leben sowie panische Angst vor der Hölle verhindern, aus dem fundamentalistisch islamisch geprägten Familiengefängnis auszubrechen und einen legalen Weg für eine selbstbestimmte, eigenständige Biographie zu wagen.

Ein Großteil dieser in der parallelen Gesellschaft lebenden Bevölkerungsgruppe, teilweise mit deutschem Pass oder in der dritten und vierten Generation in der Bundesrepublik lebend hier geboren und so deutscher Staatbürgerschaft, meidet unnötige Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft. Durch islamistische Persönlichkeiten, zu denen sicherlich auch der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gehört, werden diese orthodox gläubigen Menschen darin bestärkt, sich bewusst abzuschotten und vor allem den Töchtern und Frauen den Umgang mit den Ungläubigen zu untersagen, um nach den islamischen Glaubensregeln in der halbierten Moderne zu leben. Denn auf technische Errungenschaften des 21. Jahrhunderts wie Handy, Computer, Fernsehen und Haushaltsgeräte möchte man ja nicht verzichten. Auch die Segnungen des Sozialstaats nehmen viele ‚Rechtgläubige‘ gerne in Anspruch, ohne jedoch die geringste Bereitschaft zu zeigen, ihrerseits das demokratische Gesellschaftssystem wenigstens durch Loyalität zu unterstützen (SPIEGEL-online am 20.12.2007).

Auswege aus der Sackgasse

Um Ausbau und Festigung islamistischer Gegenwelten in unseren Städten zu verhindern, in denen ziemlich unverhohlen UN Kinderrechtskonvention, universelle Menschenrechte und das Grundgesetz ignoriert und durch Sunna, Koran und Scharia ersetzt werden, gilt es die manipulierende Wirkung allgegenwärtiger islamischer Indoktrination einzudämmen. Auch wenn unsere Forderung nach gänzlich kopftuchfreien Kindergärten und Schulen sowie das Verschleierungsverbot von Kindern unter 14 Jahren in der Öffentlichkeit für außenstehende Gutmenschen ‚hohl‘ ist, ’nicht durchsetzbar‘ erscheint und letztendlich angeblich ‚am Grundgesetz scheitern sollte‘, dürfen wir uns nicht entmutigen lassen, unsere Überzeugungen, die mehr Freiheit, bessere Lebensqualität und die Durchsetzung grundrechtlicher Standards für alle Bürger fordern, in die politische Diskussion einzubringen. Entsolidarisierung durch soziale und rechtliche Double Standards gefährden Freiheit und sozialen Frieden. Rechtsspaltung wäre die Kapitulation der Demokratie vor dem Kalifat.

Die negative Religionsfreiheit ist in der Bundesrepublik ein wichtiges Verfassungsprinzip. Junge Menschen sind auf Grund ihres noch nicht abgeschlossenen, individuellen persönlichen Reifungsprozesses in ihrer seelischen, körperlichen und geistigen Entwicklung naturgemäß beeinflussbar und verletzlich und daher besonders zu schützen. Das Recht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder schließt Misshandlung, schwarze Pädagogik, Bedrohung und Freiheitsberaubung durch die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte unbedingt aus. Körperliche und seelische Gesundheit sowie Menschenwürde, unabhängig von Geschlecht oder Religion bzw. Nichtreligion der Eltern, sind unverletzlich. Die gelingende altersgemäße Entwicklung und individuelle Förderung von Mädchen und Jungen (SGB VIII) darf durch das elterliche Verständnis von Sittlichkeit, Tugend und religiöser Pflicht nicht gefährdet werden.

Die staatliche Gemeinschaft, also wir Mitbürger, Jugendamt und Polizei, die laut Grundgesetz Art. 6 GG über das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder unter dem Vorbehalt des Kindeswohls zu erziehen wachen, müssen hier, zunächst beratend, eingreifen. Kinderrechte und negative Religionsfreiheit müssen ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Alle Eltern, die ihre Töchter und Söhne in der Tradition von Humanismus und Aufklärung erziehen und unterrichten lassen wollen und sie deshalb in einem nicht konfessionell gebundenen oder privaten Kindergarten bzw. an einer öffentlichen Schule anmelden, haben das Recht, sich darauf verlassen zu können, dass ihre Kinder während des Aufenthalts in Kindergarten, Schule und bei Schulveranstaltungen keiner weltanschaulichen Propaganda oder politischer Beeinflussung ausgesetzt sind. Der Staat als Garant der Neutralitätspflicht in seinen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen hat die negative Religionsfreiheit für Kindergartenkinder, Schülerinnen und deren Eltern durchzusetzen, notfalls gegen den Willen der Pädagogen [2] und Erziehungsberechtigten. Wie ihre Kollegen sind Lehrerinnen und Erzieherinnen sehr wichtige, prägende und beispielgebende Bezugspersonen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Bildung, Erziehung und die individuelle Förderung der ihnen anvertrauten jungen Menschen zu demokratischen, selbstbewussten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten, hat die Kleidung von Pädagoginnen und Pädagogen jeden Anschein grundgesetzwidriger, weltanschaulicher und politischer Beeinflussung zu vermeiden. Gesetzliche Bestimmungen zum Kindeswohl betonen das Recht jedes einzelnen Kindes auf von der Religion, Ethnie, und dem Geschlecht unabhängige gleichberechtigte Erziehung und Förderung. (Art. 3, die aus Art. 4 abgeleitete negative Religionsfreiheit, Art. 6 GG; SGB VIII § 1) Das Recht auf Religionsfreiheit der Beamtinnen und städtischen Angestellten, sowie das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder ist hier einzugrenzen (Dienstrecht in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen).

Das Kinderkopftuch, das neuerdings sogar in Kindergärten und Grundschulen immer häufiger zu sehen ist, steht für einen besonders fundamentalistischen Polit-Islam, der wegen seiner geschlechtsspezifischen Sozialisations- und Erziehungsprinzipien vor allem kleine Mädchen eine ihrer ganzheitlichen, individuellen Entwicklung förderliche, unbeschwerte Kindheit vorenthält und sie zu bloßen Sexualobjekten herabwürdigt. Kleinkinder, Schülerinnen und Schüler sind daher vor jeglichem religiösen, weltanschaulichem und politischem Fundamentalismus besonders zu schützen. Sie können sich der Wirkung und Beeinflussung durch das „Schamtuch[3]“ (Feridun Zaimoglu) der Erzieherin und Lehrerin ebenso wenig entziehen, wie sie dem Habitus des Kinderhidschab ausweichen können.

Diesen schon sehr früh orthodoxen und patriarchalischen Verhaltensmustern ausgesetzten jungen Menschen bieten gänzlich kopftuchfreie Erziehungs- und Bildungseinrichtungen einen Schutzraum vor schariatischen Wohlverhaltenszwängen, Gender-Apartheid und Überwachung durch Pädagogen. Solche Einrichtungen bieten den unter sechsjährigen Kindern sowie Schülern unabhängig von der elterlichen Religion oder Nichtreligion ideale Lern- und Experimentierfelder des Erarbeitens von Gender-Rollen und Handlungsspielräumen. Klein- und Schulkinder können hier nicht für die Muslimisierung „ungläubiger“, nicht religiöser oder säkularer Spiel- und Klassenkameraden benutzt werden, ohne die Folgen erkennen und einschätzen zu können. Hidschabfreie Erziehungs- und Bildungseinrichtungen bewahren nicht religionsmündige Kinder sowie mit ihrer Persönlichkeitsentwicklung völlig ausgelastete Jugendliche und Heranwachsende davor, unfreiwillig oder ohne es zu wissen für muslimisches Umweltverändern eingesetzt zu werden.

Auch Pädagoginnen dürfen sich freier bewegen ohne durch die mnemotechnische Stütze des Schleiers ständig gegängelt zu werden. Der Hidschab wirkt wie eine ständig präsente Gedächtnisstütze, die seine Trägerin permanent zu rigider Selbstkontrolle zwingt und das muslimische Umfeld ständig dazu ermahnt, seiner Kontroll- und Überwachungsfunktion nachzukommen. Selbst Nichtmuslime werden durch das nicht zu übersehende Symbol aufgefordert, das verschleierte Gegenüber zu entpersonalisieren, ihm seine Einzigartigkeit und Selbstbestimmtheit zu nehmen, um es einem religiösen Kollektiv und dessen Regeln zu „inkludieren“ sprich unterzuordnen. Diese Mädchen und Frauen nehmen wir eben nicht als Düsseldorferin, Kölnerin, Kollegin, Schwester, Tochter, Mutter oder einfach Sevim wahr, sie sind in erster Linie als Muslima erkennbar. Ein Verbot des Kinderkopftuchs in der Öffentlichkeit für Kinder bis 14 Jahren sowie gänzlich kopftuchfreie staatliche Kindergärten und Schulen sind daher eine Notwendigkeit.

Soziale Arbeit gliedert sich in mehrere Dimensionen. Zu den gesellschaftlichen Aufgaben staatlich anerkannter Sozialarbeiter und Sozialpädagogen gehört es, in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Soziologen, Sozialwissenschaftlern und Politologen gesellschaftliche Missstände und soziale Schieflagen aufzuzeigen, zu beschreiben, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu entwickeln, die möglicherweise darin bestehen, den Gesetzgeber dazu aufzufordern, den durch gesellschaftlichen und sozialen Wandel jeweils neu entstandenen Regulationsbedarf durch neue Gesetze oder Gesetzesreformen abzudecken. Rahmenbedingungen für diese Initiativen sind Grundgesetz und universelle Menschenrechte.

Zur klassischen Sozialarbeit gehört seit ungefähr vier Jahrzehnten auch die Migrations- und Integrationsberatung. In diesem wichtigen Arbeitsfeld sind wir tätig. Unser Ziel ist es, Einwanderer zu ermutigen und zu unterstützen, hier in Deutschland Fuß zu fassen, Kontakte auch außerhalb der Familie zu knüpfen, sich die Freunde selbst zu suchen, die deutsche Sprache zu erlernen, einen qualifizierten Schulabschluss anzustreben und beruflich wie privat eigene, den individuellen Vorstellungen und Fähigkeiten entsprechende Wege zu gehen. Um es mit einem Fachbegriff zusammenfassend zu beschreiben: Ein wichtiges Ziel in der Sozialen Arbeit ist das Empowerment der Klienten. Loyalitätskonflikte mit der Familie lassen sich dabei nicht immer vermeiden, sie unterstützen die Persönlichkeitsentwicklung. Für Mitarbeiter gilt der Grundsatz: Individualisierung vor kollektivistischem Familialismus. Die Emanzipations- und Integrationsbemühungen der nach Selbstbestimmung und Freiheit strebenden Adressaten sind parteiisch zu fördern. Daher gilt es, Ratsuchende darin zu unterstützen, Konfliktfähigkeit zu entwickeln, Disharmonie und Ambiguität aushalten zu lernen, eigene Stärken (wieder) zu entdecken, Ichstärke auf- und auszubauen sowie die eigenen Befindlichkeiten, Gefühle, Wünsche und Interessen wahrzunehmen, zuzulassen und konsequent umzusetzen, Selbstbehauptung zu erlernen. Für das erfolgreiche Entwickeln einer demokratischen Persönlichkeit sind die von Ihnen beschworene ’Leidensfähigkeit’ und das ’Aushalten von Ungerechtigkeit’ als kontraproduktiv anzusehen und als grundsätzlich abzulehnen. Muslimisch sozialisierte Menschen haben die gleichen rechte, auch für sie gelten die von den universellen Menschenrechten abgeleiteten Konventionen und Gesetze.

Als Psychologe dürften Ihnen die traumatiserenden und die Persönlichkeit verzerrenden Folgen einer gewalttätigen Erziehung und ’schwarzer Pädagogik‘ bekannt sein. Auch Kinder haben das Recht auf gewaltfreie und damit eben auch auf fundamentalismusfreie Bedingungen des körperlichen und seelischen Wachsens. Diese Voraussetzungen haben wir Erwachsenen zu schaffen.

Ümmühan Karagözlü


[1] http://www.duisburg.de/vv/ob_5/lotsen.php

[2] http://www.agpf.de/akt88-3.htm#ROT-VERBOT

[3]http://de.wikipedia.org/wiki/Feridun_Zaimo%C4%9Flu