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Kopftuchfreie Schulen – auch für Schülerinnen

Februar 1, 2009

Kinderkopftuch ist Kinderrechtsverletzung

Ein Redetext der Podiumsdiskussion vom 30. Januar 2009, gehalten in Raum 3E, Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von Gabi Schmidt, Sozialpädagogin in der Sprachförderung

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler,

heute möchte ich über das Thema ’Kopftuchfreie Schulen – auch für Schülerinnen’ referieren und folgende Überlegungen vorausschicken:

Auch die BRD ist als säkularer Staat[1] verpflichtet, den politischen, religiösen und weltanschaulichen Frieden in Schulen zu gewährleisten. Das Tragen eines Kopftuches an staatlichen Schulen und bei Schulveranstaltungen ist Lehrerinnen auch deshalb in vielen Bundesländern nicht gestattet. Das Lehrerinnenkopftuch ist nach Auffassung vieler Richter dazu geeignet, junge Menschen in einer staatlichen Schule einer möglichen politischen und religiösen Beeinflussung auszusetzen. Es gefährdet die kollegiale Zusammenarbeit der Pädagoginnen und Pädagogen. Das betrifft insbesondere die Proklamation und Repräsentation eines frauen- wie männerfeindlichen Menschenbildes, das mit den in der Verfassung garantierten Grundrechten (insbesondere 1 – 6) und dem Übereinkommen der UN‑Kinderrechtskonvention, da vor allem Art. 14 negative Religionsfreiheit, nicht vereinbar ist[2].

Auch die negative Religionsfreiheit hat in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat Verfassungsrang. 1988 untersagte das Bundesverwaltungsgericht deshalb einem Lehrer in der roten Bhagwan-Kutte zu unterrichten, weil Art. 4 Absatz 1 und 2 GG nicht schrankenlos gewährt ist, sondern insbesondere dort seine Grenzen findet, wo seine Ausübung auf die kollidierende negative Religionsfreiheit der Schüler oder ihrer Eltern trifft[3]. Soll der Schulfrieden für Lehrende und für Lernende garantiert werden können, reicht es jedoch nicht, wenn der Staat, um Schülerinnen und Schüler zu schützen, die Religionsfreiheit von Lehrerinnen und Lehrern beschränkt, die als Beamtinnen und Beamte in einem besonderen Dienstverhältnis stehen und daher einen solchen Eingriff in ihre religiöse, politische und weltanschauliche Orientierung dulden müssen. Mädchen und Jungen sind in einer Klassengemeinschaft unabhängig von Geschlecht, Religion oder Nichtreligion auch dem Erscheinungsbild ihrer verschleierten Klassenkameradinnen ausgesetzt. Sie können sich einer möglichen Wirkung und Beeinflussung durch das ’Schamtuch’[4] (Feridun Zaimoğlu) ebenso wenig entziehen, wie sie dem Eindruck eines Lehrerinnenkopftuchs ausweichen können. Der Staat als Garant[5] der Neutralitätspflicht an öffentlichen Bildungseinrichtungen hat somit die in der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts besonders hervorgehobene ‚negative Religionsfreiheit für Schülerinnen und deren Eltern’ durchzusetzen, notfalls gegen den Willen einiger Eltern.

Die Verfassung ist ein kohärentes Gefüge, alle Artikel sind aufeinander bezogen. Jedes Grundrecht steckt einen gewissen Rahmen ab, in dem ein Rechtsgut geschützt ist. Dieser Schutz endet genau an dem Berührungspunkt, wo Grundrechte anderer eingeschränkt werden. Das Erziehungsrecht muslimischer Eltern, auch wenn sie als Privatpersonen nicht dem Beamtenrecht unterworfen sind, stößt in staatlichen, der weltanschaulichen und religiösen Neutralität verpflichteten Schulen auf Grenzen. Eltern anderer Religionen oder säkular-muslimische Eltern, Ex-Muslime und atheistisch Denkende, die ihre Töchter und Söhne in der Tradition des Humanismus und der Aufklärung erziehen und unterrichten lassen wollen und sie deshalb an einer öffentlichen Schule anmelden, haben das Recht, sich darauf verlassen zu können, dass ihre Kinder während des Aufenthalts in der Schule und bei Schulveranstaltungen keiner weltanschaulichen Propaganda oder politischen Beeinflussung ausgesetzt sind.

In freiheitlichen Demokratien hat jeder Mensch das Recht auf eine von ihm selbst auf seine Person maßgeschneiderte Biographie. Junge Menschen sind auf Grund ihrer noch nicht abgeschlossenen, individuellen Persönlichkeitsentwicklung in ihrer seelischen, körperlichen und geistigen Entwicklung naturgemäß beeinflussbar und verletzlich. Schülerinnen und Schüler sind daher beispielsweise vor jeglichem religiösen, weltanschaulichen und politischen Fundamentalismus besonders zu schützen. Das Kinderkopftuch, das neuerdings sogar in Grundschulen immer häufiger zu sehen ist, steht für einen besonders fundamentalistischen Polit-Islam, der wegen seiner geschlechtsspezifischen Sozialisations- und Erziehungsprinzipien vor allem kleine Mädchen eine ihrer ganzheitlichen, individuellen Entwicklung förderliche, unbeschwerte Kindheit vorenthält. Sie werden dazu missbraucht, für hierarchische Weltbilder Reklame zu laufen, die gegen den Gleichheitsgrundsatz von Art. 3 GG verstoßen und patriarchalisches Rollenverhalten sowie Gender-Apartheid einfordern. Frauenrechtlerinnen wie Alice Schwarzer, Seyran Ateş, Serap Çileli, Mina Ahadi und Fatma Bläser sehen das ähnlich. Die Vorsitzende des Zentralrats der Ex‑Muslime sieht im Kinderkopftuch eine Kinderrechtsverletzung, die Europaabgeordnete Dr. Renate Sommer hält den Kinderhijab für Kindesmisshandlung. Bleibt das Schülerinnenkopftuch, haben ‚rechtgläubige’ junge Menschen keinen Freiraum, islamischer Indoktrination zu entgehen.

Das im neuen Schulgesetz von NRW verankerte Eigenprofil ermöglicht Schulleitern in diesem Bundesland ausdrücklich, Unterricht, Erziehung und Schulleben in eigener Verantwortung zu regeln und zu gestalten. Sie sollen auf der Grundlage ihres Bildungsauftrages besondere Schwerpunkte, Ziele und Organisationsformen im Schulprogramm festschreiben, diese Kriterien regelmäßig überprüfen und nötigenfalls nachbessern. Die Schulaufsichtsbehörden haben dabei beratende Funktion, Rahmenbedingungen sind die geltenden Gesetze. In einer Petition wandten wir uns daher an den Landtag NRW, um eben auch die kopftuchfreie Schule als schulgesetzlich immanentes Eigenprofil explizit zu ermöglichen.

Als Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen fühlen wir uns dem Menschenbild des Humanismus und den Werten und Normen der Aufklärung verpflichtet und unterstützen die Initiative der kritischen Islamkonferenz ’Aufklären statt Verschleiern’ und setzen uns für ‚Kopftuchfreie Schulen – auch für Schülerinnen’ ein. In unseren Gruppenräumen legen wir Wert auf praktische, neutrale Kleidung, die niemanden ausgrenzt. Kopfbedeckungen aller Art hängen unsere Kinder und Jugendlichen vor dem Betreten der Gruppenräume am Garderobenhaken auf. Während des Unterrichts ist kopftuchfrei.

Auch wir setzen uns für gänzlich kopftuchfreie, koedukative Kindergärten und Schulen ein, in denen sich nicht nur Erzieherinnen und Lehrerinnen, sondern auch die Mädchen unverschleiert frei bewegen dürfen (französisches Modell). Für Kleinkinder wie auch für Schülerinnen und ihre männlichen Klassenkameraden (unabhängig von einer Religion oder Nichtreligion) wären diese Einrichtungen Schutzräume und ideale Lern- und Experimentierfelder des Erarbeitens von Gender-Rollen und Handlungsspielräumen, die gerade den Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden aus konservativen Familien mit muslimischem Migrationshintergrund sowie zum Islam konvertierten autochthonen Eltern ansonsten gänzlich fehlen würden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler,

Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frau und Mann, Mädchen und Junge sind gerade auch unabhängig von der Ethnie oder Religion der Eltern ein wesentliches Gut im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Gemeinsam mit den anderen in der Verfassung garantierten Grundrechten bilden sie die Rahmenbedingungen und Qualitätskriterien für eine gelingende Eingliederung ins Berufsleben, für die Integration in und die Teilhabe an der Gesellschaft.

Allerdings beginnt ein weltweit erstarkender Fundamentalismus, antidarwinistischer Kreationismus und vormoderner Patriarchalismus Freiheitsrechte legalistisch auszuhebeln, frauenpolitische und wissenschaftliche Standards auszuhöhlen sowie persönliche Entwicklungschancen einzuschränken. Während die großen Kirchen weiterhin Mitglieder verlieren, erfreuen sich evangelikale Freikirchen wachsenden Zulaufs. Der Niederländer Jan Siebelink beschreibt in seinem 2007 erschienenen, teilweise autobiographischen Roman ’Im Garten des Vaters’ wie religiöser Fundamentalismus individuelle Freiheit, Selbstbestimmung und hedonistische Lebenslust rigide einschränkt. Der ’Atlas der Schöpfung’, welcher Kölner Biologie- und Philosophielehrerinnen und ‑lehrern kostenlos als Werbegeschenk zugestellt wurde, zeigt, mit wie viel Aufwand Kreationistinnen und Kreationisten versuchen, für ihre Lehre zu werben. (TimeTurk nach: Kölner Stadtanzeiger, Helmut Frangenberg 2007). Die steigende Anzahl der immer jünger werdenden Kopftuchträgerinnen sowie der zunehmend streng verhüllten Mädchen und Frauen sind weitere Hinweise rückwärtsgewandter Einstellungen und Denkmuster einer religiösen Radikalisierung, einer frauen- und integrationsfeindlichen Gegenmoderne.

Hijab, Niqab, Tschador und Burka gelten unabhängig von Religion, Weltanschauung, Geschlecht, Nationalität und Ethnie einem repräsentativen Teil der Bevölkerung als Symbole für Gender-Apartheid und Unterdrückung von Frauen und Mädchen. Verschleierte Mädchen und Frauen sollen von weitem als praktizierende Muslima erkannt werden. Die Verhüllung, die nicht zu übersehen ist, stempelt sie unmissverständlich als ’der umma, der Weltgemeinschaft der Muslime. zugehörig’ ab. Das Verschleierungsgebot im öffentlichen Raum soll ‚reine’, Allah wohlgefällige Töchter von weitem kenntlich machen und sie von mit Sünde besudelten, für die Hölle bestimmten barhäuptigen Glaubensschwestern abgrenzen. Diese Mädchen und Frauen erscheinen im Straßenbild eben nicht als Düsseldorferin, Kölnerin, Kollegin, Schwester, Tochter, Mutter oder einfach Sevim, sie sind in erster Linie Muslima und damit zumindest für Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtler Objekt des männlichen Herrschaftsrechts[6].

Musliminnen und Muslime sind Koran, Sunna und Scharia unterworfen und ausgeliefert. Weder das muslimische Individuum noch das islamische Kollektiv haben die Freiheit, sich diesen Vorschriften zu entziehen. Nach fundamentalistischer Auffassung betreiben alle, die den Koran und die Pflichtenlehre historisch-kritisch interpretieren, bid’a (Neuerung) oder gar Verrat an der Religion. Wer es wagt, mit seinem Verhalten aus der Reihe zu tanzen, gar abzuschwören oder Abweichler zu unterstützen, wird aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und droht Opfer psychischer oder lebensbedrohlicher körperlicher Gewalt zu werden. Muslimas sind vom schariatischen Verhaltenskodex und der sozialen Kontrolle der Sunna besonders eingeengt. Konservativ erzogene Mädchen und Frauen müssen dem sexualisierten und dämonisierten Frauenbild entsprechend mindestens die Haarpracht so verstecken, dass keine Strähne sichtbar ist. So soll die angeblich angeborene, mit der weiblichen Natur verschmolzene verführerische, verruchte Wesensart, die gute Sitten und Anstand gefährde, abgeschirmt werden. Nur eine an Koran und Sunna orientierte Frauenkleidung vermeide Fitna, Zwietracht und Zwiespalt. Unter dem Dogma der Freiwilligkeit (Es gibt keinen Zwang im Glauben, Koran 2:256, wer sich dennoch gegängelt fühlt, glaubt eben nicht stark genug) muss das Individuum Strategien entwickeln, sich das Unterworfen-Sein schönzulügen. Die Zahl der ihr Kopftuch ‚freiwillig’ tragenden Mädchen und Frauen darf uns nicht verwundern, denn der Hijab ist die Eintrittskarte in den Club der Alpha-Mädchen, zu deren zwingend notwendigem Verhaltensrepertoire die Verachtung und der heilige Ekel gegenüber allen nichtislamischen Lebensweisen gehört. Mit dem Kopftuch mobben für Allah, gottgefälliges Mobbing.

Von klein auf wird jedem Menschen in konservativen muslimischen Familien und in allen Koranschulen mit geradezu militärischem Drill panische Angst vor der Hölle antrainiert. So wird das Kopftuch attraktiv, zumal nach islamischer Glaubenslehre das für Frauen und Mädchen prinzipiell nur schwer zugängige Paradies bei züchtiger Bedeckung in greifbarere Nähe rücke. Kein Kind käme von selbst auf die Idee ein Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen. Daher wird in vielen Clans mit enormer Energie dieses äußerlich überdeutlich sichtbare Kennzeichen der religiösen Selbstaufwertung initiiert und zementiert, um im Gegenzug Menschen in Gruppen verschiedener Minderwertigkeit einzuteilen und dabei pauschal zu stigmatisieren.

Zu bedenken ist die Rolle der Eltern, speziell der Mutter, die ihren Töchtern das ‚Schamtuch’ erfolgreich anzutrainieren versucht. Sie steht unter starkem Erfolgsdruck der Großfamilie, da es zum Selbstverständnis und ausdrücklichen Auftrag muslimischer Frauen gehört, Normen und Werte zu tradieren. Sie wird sich aller erdenklichen Tricks bedienen, die islamische Bedeckung durchzusetzen, notfalls Gewalt anwenden. „Wer seine Tochter nicht schlägt, schlägt sein Knie.“ Wer seine Tochter nicht bei jedem Regelverstoß verprügelt, wird sich später schwere Vorwürfe machen. So lautet ein türkisches Sprichwort.

Mit Erreichen der Menarche gelten muslimische Mädchen als reife Frau, die ihre Scham spätestens jetzt zu bedecken haben, um die Ehre der Familie nicht zu gefährden. Das kann bei Südländerinnen, zumal wenn sie übergewichtig sind, schon mal mit neun oder zehn Jahren sein. Das Kopftuchgebot diskreditiert daher nach fundamentalistischer Denkweise bereits kleine Mädchen als Verführerinnen, wertet sie ab zum bloßen Sexualobjekt.

Schon wenige ‚Schamtücher’ im Klassenraum reichen aus, um einen unbefangenen Umgang der Schülerinnen und Schüler miteinander, gerade über ethno-religiöse Grenzen hinweg, zu verhindern. Auf die säkular erzogenen muslimischen Klassenkameradinnen, die ihre Haare offen tragen, wird hoher Anpassungsdruck ausgeübt, weil sie ‚ihre Religion beleidigen’ und ‚ihren Eltern Schande’ bereiten würden. Dem gemeinsamen Druck von Koranschule, Clan wie auch Mitschülerinnen und Mitschülern halten elf- und zwölfjährige Teenager selten Stand und entscheiden dann‚ ‚ganz aus sich heraus’, ‚freiwillig’ künftig Hijab zu tragen. Freiheit ist jedoch das Recht, ohne Zwang, Angst vor Bestrafung oder Ausgrenzung und ohne Bevormundung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen zu können. Wer das Kopftuch öffentlich trägt, muss es ohne Bedenken auch in der Öffentlichkeit wieder ausziehen können, um es, je nach Befinden, einfach wieder umzubinden.

Die männlichen muslimischen Klassenkameraden übernehmen in der Klassengemeinschaft die von klein auf anerzogene Rolle des Sittenwächters und üben permanente Kontrolle über die ‚rechtgläubigen’ verschleierten und unverschleierten Mädchen aus. Kuffar-Mädchen sind in den Augen orthodoxer muslimischer Jungen und Männer Schlampen, die kein guter Moslem jemals heiraten würde. Kein verschleiertes Mädchen wird sich freiwillig neben einen Klassenkameraden setzen, ganz unabhängig davon, ob er muslimisch ist oder nicht. Der ‚ungläubigen, sündigen Lehrerin’ brauchen nach dem Verhaltensdogma von Sunna und Scharia auch muslimische Eltern keinen Respekt entgegen zu bringen. Der Klassenfrieden, das Lernklima und die Kommunikation sind auf Dauer gestört.

Hatice, die sich züchtig verhüllt, will dann plötzlich nicht mehr neben ihrer ehemals besten Freundin Lena sitzen, weil diese unrein und der Kontakt mit Andersgläubigen oder Atheistinnen und Atheisten haram sei. Bei einer Honorartätigkeit während des Studiums kam eine meiner türkischen Nachhilfeschülerinnen, die mich wohl mochte, in einen Gewissenskonflikt, weil sie nicht wollte, dass ich als geschiedene Frau in der Hölle schmore. Sie schlug mir daher vor, ihren kürzlich verwitweten Onkel zu heiraten. Das Mädchen war neun Jahre alt, ihm musste vollkommen klar sein, dass ich diesen Mann noch nie gesehen hatte. Das Kopftuch ist der Stoff gewordene Ausweis der Unterwerfung und des Gehorsams. Es ist das Indiz und das Symbol für das Verbot, kritisch zu reflektieren, in Frage zu stellen, anzuzweifeln und gegebenenfalls couragiert widersprechen zu dürfen. Wie eine mnemotechnische Stütze erinnert es die Trägerin daran, die islamische Pflichtenlehre einzuhalten. Nimmt nach den Sommerferien die Zahl der Kopftücher zu, häufen sich üblicherweise auch die Abmeldungen vom Schwimm- und Sexualkundeunterricht, viele Schülerinnen dürfen nicht mehr an Klassenfahrten teilnehmen (s. FN 2 ).

Ein wichtiges Ziel jeder pädagogischen Arbeit ist die Förderung, Erziehung und Bildung der uns anvertrauten Schülerinnen und Schüler. Sie sollen befähigt werden, mutig ihren eigenen Verstand nutzen, um ein eigenes, differenziertes Verständnis von der Kultur der Menschheit und der biologischen und physikalischen Natur der Welt zu entwickeln. Mädchen wie Jungen sollen zu demokratischen Persönlichkeiten heranwachsen, die ihre Grundrechte kennen und jedem Fundamentalismus gegenüber immun sind, die sich selbstbewusst einmischen und kritisch Stellung nehmen. Wir wollen dazu beitragen, dass sie das Rüstzeug haben, sich in einem ihren Neigungen, Fähigkeiten und Wünschen entsprechenden Berufs- und Privatleben verwirklichen zu können. Gänzlich kopftuchfreie Kindergärten und Schulen würden unsere Arbeit in idealer Weise unterstützen.

Gabi Schmidt


Brief an Ebru: Konfliktstoff Kopftuch

Januar 9, 2008

Liebe Ebru,

auch ich legte schon als selbstbewusstes Grundschulkind großen Wert darauf, meine Kleidung im Geschäft selbst auszusuchen und morgens so zusammenzustellen, dass mir die Sachen, die ich anzog, auch gefielen. Das hat sich als Jugendliche und später als Studentin trotz des knappen Budgets nicht geändert und auch heute als berufstätige Frau und Mutter genieße ich die Freiheit, mich so zu kleiden wie ich möchte. Während ich mich als 10-jährige an der Garderobe meiner Lieblingslehrerin orientierte, sind mir heute Witterung, Funktionalität, der Anlass, zu dem ich mich passend kleiden will sowie meine augenblickliche Stimmung und Seelenlage maßgebliche Entscheidungshilfen bei der Auswahl.

Es ist also durchaus möglich, dass ich an einem Tag den maskulin wirkenden, klassischen Hosenanzug Marke erfolgreiche Geschäftsfrau bevorzuge, am nächsten Morgen mich für eine romantisch gesmokte, betont weibliche Bluse mit Carmenausschnitt und einen weitschwingenden Rock entscheide, während mir am Tag danach eine flippig bunte Sommerbluse mit farblich passenden Bermudashorts besonders gefällt. Sollte ich nachträglich wirklich einmal feststellen, mich bei der Auswahl der Kleidung vergriffen zu haben, ist das kein Problem, es wird sich eine Gelegenheit finden, sich umzuziehen. Ist dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, kann mich jedoch Nichts und Niemand zwingen, am folgenden Tag wieder in dem unbequemen Outfit herumzulaufen.

Diese Freiheit hat eine Kopftuch tragende Muslima nicht. Selbst im Sommer bei schwülster Mittagshitze darf sie das Tuch nicht abnehmen, denn hat sie sich einmal dazu entschlossen, ihre Haare zu bedecken, ist das Tuch wie festgewachsen. Alternativen bestehen dann nur in Farbwahl, Muster und Stoffbeschaffenheit, denn selbst die unterschiedlichen Möglichkeiten die Tücher zu binden, sind zumindest für die Befürworterinnen der streng gebundenen Formen des Hijabs, die Kopf, Stirn, Hals und Schultern bedecken, sehr eingeschränkt. Die Befürworterinnen dieses fundamentalistischen Kopftuchs werden künftig keine liberalere Variante mehr tragen wollen und können, die mehr Haut zeigt.

Wäre das Kopftuch wirklich eine Freiheitssache, müsste es möglich sein, sich im Haus und in der Öffentlichkeit nach Lust und Laune mal ‘gut betucht‘, mal ‘oben ohne‘ zu bewegen. Zur ‘Freiheit‘ das Kopftuch anzulegen gehört immer auch die Freiheit, ohne Furcht darauf verzichten zu können, um bei einer anderen Gelegenheit einfach wieder nach diesem Utensil zu greifen. Trugen die ersten Arbeitsmigrantinnen das Kopftuch, um sich vor Wind und Wetter zu schützen oder um wie die Schauspielerin Catherine Deneuve und die spätere Fürstin von Monaco, Gracia ihre elegante Kleidung modisch aufzupeppen, ist das heute jedoch nicht mehr möglich, weil das meist seidene Tuch längst nicht mehr als nützliches Kleidungsstück oder Modeaccessoire getragen.

Heute verteidigt die zweite und dritte Generation dieser Einwanderer den ‘Konfliktstoff‘ sinnbildlich gesprochen mit Zähnen und Klauen als ihren individuellen Weg der Selbstverwirklichung, als kulturelles Symbol, als Zeichen der Zugehörigkeit zur Umma. Waren zunächst nur vereinzelt moderat gebundenen ‘Piratenkopftücher‘ im Straßenbild zu entdecken, die noch viel Haar offen zeigten, ist die Anzahl der jede Haarsträhne versteckenden, den Oberkörper bis zu den Schultern verhüllenden Schleier gerade unter den jungen, bildungsnahen Frauen stark gestiegen. Selbst Grundschulkinder in der zweiten Klasse, die ihren Kopf und Hals bedecken, fallen mir seit 2005 vermehrt auf.

Freiheit, so wie viele säkulare MuslimInnen sie verstehen, ist die Möglichkeit ohne Zwang, Angst vor Bestrafung und ohne Bevormundung zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen. Es sollen Spielräume des individuellen Gestaltens geschaffen und erweitert werden, die Zufriedenheit soll gesteigert und die Lebensqualität verbessert werden. Um dabei auch die Interessen der Mitmenschen genügend zu berücksichtigen und deren Freiräume nicht unnötig einzuschränken, gibt es Rahmenbedingungen, die aus frei verhandelbaren, ungeschriebenen Vereinbarungen und Wertvorstellungen der kulturellen Moderne wie auch aus mehrheitsfähigen verfassungsgemäßen Gesetzen bestehen.

Ein solches, weitgehend selbstbestimmtes Leben setzt ein kritisches, verantwortungsbewusstes Verstehen und Überdenken der betreffenden Situation voraus, das möglichst reflektiert Vor- und Nachteile abwägt und dann eine Entscheidung trifft. Dabei ist die Chance sein Leben in eigener Regie zu gestalten und das Recht, die individuelle Biographie selbstbestimmt beeinflussen zu können, offensichtlich für die meisten so attraktiv, dass mögliche Fehlentscheidungen hingenommen und als Gelegenheit gewertet werden, damit umgehen zu lernen und Rückschlüsse zu ziehen, wie künftig solche Irrtümer vermieden werden können. Dabei ist die / der Einzelne immer wieder aufs Neue gefordert, Entscheidungen zu treffen und daraus zu lernen.

Zu so komplexem Denken und Handeln sind Achtjährige jedoch nicht in der Lage, dazu fehlt ihnen vor allem die Einsichtsfähigkeit in die Folgen ihres Tuns. Sie orientieren sich wie weltweit alle Kinder ihres Alters an Leitbildern in ihrem sozialen Umfeld und kopieren deren Verhaltensmuster. Geprägt durch Elternhaus, Koranschule und Umma sind sie vor allem den Brüdern und älteren männlichen Verwandten Respekt und Gehorsam schuldig. Im Fokus ihres Erziehungs- und Sozialisationsprozesses steht das traditionelle Menschenbild und Rollenverständnis des Islams, sie lernen von klein auf, eigene Interessen zu Gunsten der Gemeinschaft zurückzustellen und den Regeln der koranisch geprägten Sippe zu folgen.

Sehr familienbezogen, mit noch weniger Kontakten zu ‘ungläubigen‘ Gleichaltrigen, kennen die Kinder keine anderen Kleidungsgewohnheiten und wie mir meine Schülerinnen versichern, weisen die Koranschulen eindringlich (hoffentlich ohne Gewaltmittel) auf fromme Kleidungsregeln hin. Auch im Elternhaus wird der islamische Kleidungskodex ein zentrales Thema der religiösen Erziehung der Kinder sein und vor allem die selbst tief verschleierten Mütter werden deutlich auf die Vorzüge gottgefälliger Kleidung hinweisen. Hat sich die überwiegende Mehrheit der weiblichen Angehörigen in einer Familie für den Hijab entschieden, werden die Mädchen ihrem Beispiel sicher nacheifern.

Durch den Mangel an weniger fundamentalistisch orientierten Identifikationsfiguren im zahlenmäßig bewusst recht klein gehaltenen sozialen Umfeld haben die Kinder kein Bedürfnis, die Haare offen zu tragen. Viele Mädchen können sogar den Zeitpunkt kaum erwarten, endlich ‘dazu‘ zu gehören und das auch nach außen kenntlich zu machen. Ein weiterer Grund, aus dem Grundschülerinnen zum Kopftuch greifen, ist die einhergehende soziale Aufwertung im Clan. Konnte bisher selbst der kleinste Bruder ungestraft seinen Spott mit den Mädchen treiben, sind diesem Unfug jetzt gewisse Grenzen gesetzt. Alles sehr nachvollziehbare Gründe, sich früh zu verschleiern, mit Freiheit hat das aber wenig zu tun.

Um diesen altersgemäß leicht zu beeinflussenden, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unreifen Kindern eine wirklich freie Entscheidung zu ermöglichen, müssen alternative Erfahrungs- und Gestaltungsräume her, die weltanschauliche Neutralität garantieren. Diese Haltung sollte durch einfache, weder wertende noch symbolträchtige Kleidung dargestellt und umgesetzt werden. Gänzlich kopftuchfreie koedukative Kindergärten und Schulen, in denen sich auch die Mädchen ‘oben ohne‘ bewegen dürfen (französisches Modell), wären sicherlich ideale Lern- und Experimentierfelder. Mit dem Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung gegangen worden.

Diese Identifikations- und Vorbildfunktion von PädagogInnen sowie das ihnen zuerkannte Fachwissen mag sicherlich manche Eltern bei schwierigen Erziehungsfragen dazu bewogen haben, sich an deren Verhalten zu orientieren. Wenn mir dieser Sachverhalt als Sozialpädagogin auch sehr schmeichelt, der vielleicht vorschnell entgegengebrachte Vertrauensvorschuss und ExpertInnenbonus hat dann Nachteile, wenn er, gewollt oder ungewollt, Ansichten und Denkmuster manipuliert. Meine Studienkollegin Juliana berichtete mir von Esma A., einer Klientin, deren türkische Mutter, Frau Hatice A. eine eher liberale Einstellung zu den von Natur aus tizianroten Haaren ihrer elfjährigen Tochter hatte.

Eines Tages bestand sie jedoch plötzlich darauf, dass die Jugendliche ihre Haarpracht unter einem Tuch verbarg. Nach den Gründen des plötzlichen Sinneswandels befragt, vertraute Frau A. meiner Kollegin, die als Familienhelferin bei A. tätig war, an, dass die neue Klassenlehrerin der frisch gebackenen Gymnasiastin Esma ebenfalls türkischer Herkunft war und Kopftuch trug. Nun war Frau A. um den guten Ruf der Familie besorgt und vor allem darum, ihren Eifer unter Beweis zu stellen, ihre Kinder zu gottesfürchtigen, frommen Mitgliedern der Umma zu erziehen. Die Reaktion der Klientin A. zeigt, dass es sich bei der Akzeptanz des Kopftuches gerade nicht um eine Freiheitssache handelt.

Die im letzten halben Jahr veröffentlichten Pressefotos der türkischen Politikergattinnen Gül und Erdogan, die sich demonstrativ mit Hijab an der Seite ihres Ehemannes fotografieren ließen, üben einen ähnlichen Druck aus wie das Vorbild der eben erwähnten Pädagogin. Die Bilder sollen das neue Image der modernen türkischen Muslima näherbringen, die genauso emanzipiert wie streng religiös konservativ ihr Leben in die eigenen Hände nimmt. Wenn die First Lady des ehemals betont laizitären Staates Türkei, Hayrünnisa Gül das ‘Schamtuch‘ nicht nur privat trägt, wenn sie das Haus verlässt, sondern auch bei Staatsbesuchen im Ausland und anderen offiziellen Anlässen, bricht sie bewusst mit ca. 80 Jahren säkularer Tradition.

Das ist ein überdeutliches Signal an die karrierebewussten TürkInnen im In- und Ausland, wie (Ehe-)Frauen künftig in der Öffentlichkeit aufzutreten haben. Das ist Wasser auf die Mühlen der religiösen Hardliner, nach Bundesinnenminister Schäuble (2007) ca. 40% der hier lebenden Muslime. Die werden sich in ihrer fundamentalistischen Lebensführung bestätigt fühlen und die fromme Kleiderordnung, die sie in ihrem engen sozialen Umfeld längst durchgesetzt haben, noch konsequenter zu überwachen und auszubreiten versuchen. Zumindest für TürkInnen gibt es keine Ausrede mehr, sogar die ‘Landesmutter‘ wirbt offensiv für die schariakompatible Verschleierung von Frauen. Auffällig dabei der betont emanzipierte, selbstbestimmte Eindruck.

Trotz der islamischen Renaissance nach 1979 gibt es in Europa und in der BRD gläubige Muslime, die sich nicht nur als ‘Ramadan-Muslime‘ der Umma zugehörig fühlen, sondern die fundamentalistischen Kleidungsvorschriften ablehnen oder die in dieser Frage noch unentschlossen sind. Wo bleiben deren Freiheitsrechte? Wo bleibt die negative Religionsfreiheit für AtheistInnen KonvertitInnen, ApostatInnen und ‘Ungläubige‘, die in unserem Land dieselben Grundrechte genießen und nicht totgeschlagen werden dürfen? Die Freiheit auf die du dich berufst, liebe Ebru, ist ein demokratisches Grundrecht, dass immer die Freiheit der anderen mit einschließt und sich eben nicht darin erschöpft, den Koran und die Sunna zu leben (Necla Kelek).

Muslimas, die behaupten, ohne Kopftuch würden sie sich nackt fühlen, geht es nicht alleine um Schutz. Sie unterteilen ihre Geschlechtsgenossinnen in die Gruppe der Ehrenhaften und die der Unreinen, egal ob die Betroffenen muslimisch sind oder gar ’Ungläubige’. Das Kopftuch ist somit Symbol für die Spaltung Menschheit in sittsam Tugendhafte sowie in verachtenswerte Sünderinnen. Der soziale Druck auf alle Mädchen und Frauen steigt proportional mit der Anzahl der Kopftücher im Straßenbild. Es gibt Stadtzentren, in denen Altbürgerinnen mit offenen Haaren vor die Füße gespuckt wird, sie werden zur Seite abgedrängt, ihnen wird der Weg abgeschnitten, sie werden absichtlich überhört, man sieht bewusst an ihnen vorbei.

Sollte es tatsächlich eine Muslimin wagen, ihre Haare nicht schamhaft zu bedecken, wird zunächst die Kernfamilie, dann die Sippe und schließlich die Community vorerst mit Hilfe von dringenden Ermahnungen und dem Erwecken von Schuldgefühlen versuchen, die Abweichlerin wieder auf den rechten, Allah wohlgefälligen Weg zu bringen. Gelingt das nicht, folgen wüste Beleidigungen, üble Nachrede, Ausschließen aus dem Freundeskreis, Schläge, Verweigern von intimen Zärtlichkeiten bis hin zum Mord aus falsch verstandener Ehre. Nahezu niemand wagt es daher, sich aus den Fesseln der sakralen Systeme Scharia, Koran und Sunna zu befreien, wer darüber redet oder schreibt, beschmutzt in den Augen der Fundamentalisten die Ehre des Clans, beleidigt die Umma und begeht Verrat an Allah.

Mit dem Kopftuch bedeckt man eben nicht nur die Haare, um als Frau erkannt zu werden, mit dem Tragen des Türban unterwirft man sich den nicht interpretierbaren Gesetzen des Islams. Der Hijab ist nicht nur ein unschuldiges Stück Stoff unter dem man die Haare versteckt, er ist eine Art Vertrag zwischen der Trägerin und der Umma, den sie mit dem ersten Binden des Tuches quasi unterschreibt und anerkennt. Sie bejaht mit der Verschleierung die für orthodox denkende Muslime wörtlich umzusetzenden Vorschriften aus Koran, Sunna und Scharia. In der kulturellen Moderne jedoch Frauen grundsätzlich für unrein und minderwertig zu halten und das Ganze als Ausdruck von Selbstbestimmung und individueller Freiheit zu werten ist grotesk und inakzeptabel.

Wenn ich auch niemanden zu seinem Glück zwingen möchte und Meinungsfreiheit ein von mir sehr geachtetes Menschenrecht ist, meine Toleranz endet an dem Punkt, wo von der Verfassung der BRD garantierte Grundrechte missachtet werden, besonders wenn die Gefahr besteht, dass Rechte von Frauen oder Kindern bedroht oder verletzt werden. Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte und die Arabische Charta der Menschenrechte mit Scharia und Koran als Fundament, prägen in Theokratien Gesellschaft und Rechtsprechung, im demokratischen Europa gelten sie nicht.

Verachtung von Andersgläubigen, Verbot der Apostasie bei Todesdrohung, Diskriminierung von Frauen, Gewalt in der Erziehung, körperliche Züchtigung in der Ehe, Zwangsverheiratung, Teenagerschwangerschaften, Mord aus falsch verstandener Ehre gehören für islamische Fundamentalisten zum Lebensalltag wie das ‘Schamtuch‘ für Frauen. Du, liebe Ebru, magst diese ‘Software‘ als persönliche Art sehen deinen Glauben zu leben, ‘Freiheitssache‘ ist der Schleier schon deswegen nicht, weil er für eine Lebensführung steht, die Freiheiten anderer beschneidet. Ich halte es da eher mit Ralph Giordano, der anlässlich einer Podiumsdiskussion sagte: „Wenn das offene Haar der Frauen Begehrlichkeiten bei den Männern weckt, wäre es besser, den Männern Handschellen anzulegen als den Frauen das Kopftuch“.

Ümmühan Karagözlü

Die neue al-Qaida

Dezember 28, 2007


Erzählgegenstand

Terrorismus

Zwischen Nebelwerferei

und Selbstvermarktung:

Wie bringt die Demokratie

den womöglich korantreuen

Terror zur Sprache?

Jacques Auvergne

Selten habe ich ein so nervtötendes Buch gelesen wie das 2006 erschienene „Die neue al-Qaida“ von Yassin Musharbash. Der Autor bringt mich zur Verzweiflung und zwar nach folgendem Muster: Grundsätzlich sei, so Musharbash, noch nicht einmal klar, ob sich hinter dem Begriff des heiligen Krieges überhaupt bewaffneter Kampf verberge. Denn viele Muslime in aller Welt würden unter dieser immer wieder einmal erhobenen Verdächtigung seitens der Nichtmuslime „erheblich leiden“. Da ist ja etwas dran, wie wir alle wissen, Dschihad geht auch ohne Mord und bedeutet sakraler Eifer, fromme Anstrengung. Dass dieser frommen Angestrengtheit seit 1.400 Jahren Millionen von Menschen zum Opfer gefallen sind, das gehört offensichtlich zum Standard‑Repertoire islamischen Umweltveränderns und wird vom Autor weder beschrieben noch bestritten. Was das Nervtötende bereits mit verursacht.

Sicherlich, das Arabische könnte für „Krieg“ die Worte Ghazw, Qital und vor allem Harb verwenden. Wenn es also darum ginge, geborene Ungläubige oder gewordene Ungläubige oder deren unterstützerisches oder indifferentes oder zufällig beteiligtes soziales Umfeld zu köpfen oder in die Luft zu sprengen, ließe sich die theologische Geometrie einer Dâr al‑Harb bemühen, die Kultur des Harb. Dschihad tut es aber auch, die Vokabel meine ich. Ja, das dem Gott Allah wohlgefällige Wort. Die sakrale Vokabel. Entlastet doch auch viel besser.

Wir Demokraten, die Muslime unter uns eingeschlossen, wir hätten nun gar nichts dagegen, wenn sich eine Auffassung eines individuellen und spirituellen Islams durchsetzen oder überhaupt erst einmal verbreiten könnte. Nicht, dass nämlich bald gesagt wird, das Blog Sägefisch würde verunsicherte junge Männer in den Terrorismus drängen. Doch wer den Konformitätsdruck des Orients kennt, der weiß allerdings, dass es nur den Unbestechlichsten Individuen gelingen kann, irgendetwas an Milieu- und Alltagskritik zu äußern oder gar an Worten der Kritik an Regierung und Geistlichkeit. Es gibt diese Einzelnen, doch die leben auch in Kanada oder Finnland gesunder und länger denn in Beirut oder Kairo. Oder sie schrauben, und mittlerweile selbst in Kanada oder Finnland, ihr Klingelschild von der Haustüre ab, weil sie ihre aufmüpfige Gesinnung wohl vor ihren Mitmuslimen nicht verbergen können. Und letztere sind bekanntlich rasch beleidigt.

Denn das muss einmal gesagt sei: Islam ist Kultur des Einschüchterns. Musharbash kann sich zu diesem Satz leider nicht durchringen, jedoch ist sein Buch genau an jenen Stellen am ehesten lesenswert, in denen die repressive Sozialisation nahezu jedes Muslims weltweit, die permanente Überwachung und die geistig‑seelische Enge des Islams angedeutet wird, ob mit oder ohne Auswandererschicksal.

Noch etwas zum subjektiven „erheblichen Leiden“. Das hat der Autor entweder noch nicht durchschaut oder er lässt uns an seiner Einsicht nicht teilhaben: Denn das ist islamische soziale Lebenskunst, sich als „erheblich leidend“ zu inszenieren. Das ist der Jahrhunderte alte islamische Psychoterror der Umma gegen alle Nichtmuslime, immer mit dem Angebot verbunden, sich doch gerne genau so dreist zu verhalten oder am besten gleich zum höherwertigen Islam zu konvertieren.

Ähnlich wie katholische, heutzutage demokratiegemäß glücklicherweise eher individualistisch orientierte Milieus Schuldgefühle nach innen hin erwecken, innerhalb des Kreises der katholischen Gläubigen, so tut es der zornig fiebernde und notorisch kollektivistische Islam, nur eben nach außen. Ist ja auch viel günstiger, „die Anderen“ zu beschuldigen: Die Amerikaner oder Kapitalisten, die Juden oder Kreuzzügler, die Atheisten oder Abweichler. Mit dem Finger auf den Anderen zeigen und publikumswirksam zu jammern, das ist das beschämenswerte soziale Mobbing hinter der „edlen und spirituellen“ Kulturtechnik des Takfir. Und dass Takfir als das für ungläubig erklären tödlich sein kann, das ist zu Musharbash dann doch vorgedrungen.

Sicherlich gilt es für die kulturelle Moderne, ihr Möglichstes zu tun, um die „eher indifferente“ muslimische Masse nicht in die Arme der „sehr radikalen“ Muslime zu treiben. So scheint das der fraglos demokratiefreundliche Autor ebenfalls zu sehen. Und hat damit bereits wieder übersehen, dass es im Islam eine indifferente Masse noch nie gegeben hat, denn Islam ist ja geradezu das fiebrige Credo der heiligen Gewaltbereitschaft: Islam ist das Prinzip der sakralen Militanz.

Islamische Kindererziehung ohne Hass auf die Juden und Christen und natürlich auch auf die Frauen hat es seit 1.400 Jahren noch gar nicht in einem nennenswerten Umfang gegeben, wenn ich auch hoffe, dass sich das in möglichst naher Zukunft einmal ändern möge. Der Islam und seine Mädchen- und Jungenerziehung ist das Problem, nicht die jeweils herum lungernde Horde militanter junger Männer, die sich dann „überraschenderweise“ dazu entschließt, einen Ungläubigen zu finden und sakral zu opfern.

Das allerdings bringt uns als die „anderen“ in sowohl rhetorische wie moralische Schwierigkeiten, letztlich seit 1.400 Jahren. Und an dieser Stelle ist dem Autor deutlich zu widersprechen, auch wenn dieses Blog nun auch in Gefahr läuft, von böswilligeren oder dummeren Menschen bezichtigt zu werden, die Propaganda der Terrornetzwerke zu verwenden beziehungsweise zu unterstützen. Doch genau in Bezug auf das Thema der „rätselhaften“ Herkunft des Dschihadismus widerspricht sich der Autor an mehreren Stellen seines Buches letztlich selbst. Insofern trägt Musharbash zur Lösung der globalen Krise Islam dann doch noch einigermaßen nützlich mit bei.

Vielleicht allzu misstrauische Menschen werden Musharbash allerdings bereits fast Taqiyya unterstellen müssen, sakrale Lüge. Wenn dieses in seinem Fall auch wohl ein Täuschen aus Gründen des hilflosen Nachplapperns sowie der verschüchterten Schmerzleugnung ist und nicht aus Gründen des absichtsvollen Verschleierns der Korantreue jeglichen Dschihads, so ist doch gleichwohl die vom Autor eingenommene Position nicht nur schwer erträglich, sondern für die kulturelle Moderne auch noch brandgefährlich.

Sicherlich hat es, wie etwa Prof. Bassam Tibi in seinen Büchern betont, bereits vor mehr als einem Jahrhundert im Islam ernsthafte Versuche der Theoriebildung zu m Begriff der Säkularität, der Weltlichkeit gegeben. Und man mag hoffen, dass die nächste oder wenigstens übernächste junge Generation zwischen Casablanca und Jakarta an jene hoffnungsvollen Versuche anknüpfen möge und nicht an die vormodernen und menschenverachtenden Philosophien von al‑Qaida. Musharbash indessen benennt noch nicht einmal das Alter der Wurzeln der immerhin bereits 1928 entstandenen Muslimbruderschaft, sondern weist dem amerikanischen Einmarsch in den Irak jede Schuld am damit sozusagen postmodernen Dschihadismus zu.

Wobei der Autor darin Recht hat, dass die Anwesenheit der Amerikaner in Bagdad von den Netzwerken des Terrors propagandistisch „günstig verwendet“ werden konnte, vielleicht so, wie im Jahre 1098 die Appelle zur Befreiung des symbolischen „Heiligen Grabes“ wirken konnten. Religion motiviert.

Sakrale Bedarfsweckung. Der Christ Calvin etwa ließ um 1550 etliche Ketzer auf dem Marktplatz der frommen Stadt Genf verbrennen. Wie denn überhaupt die Theokraten aller Länder einander ähnlicher sind, als ihnen lieb ist. Der spanische Katholizismus der Barockzeit vernichtete die Religionen Südamerikas – wäre nun Europa in der Rolle der einstigen aussterbenden Indiokultur? Mit theokratischem Wettrüsten aber oder mit Formen von Rassenhass hätte die Moderne sich selbst verraten und beides ist ebenso kollektivistisch wie der Islam, christlicher Fundamentalismus und Nationalismus, jedenfalls nicht Teil der kulturellen Moderne. Deutlich wird damit, dass der säkulare Staat jeden Einwanderer als Individuum packen muss, nicht als Teil irgendeines Kollektivs. Insofern ist jeder Dialog der Bundesrepublik mit islamischen Gemeinschaften für beide Seiten ein riesiges Missverständnis. Ob in wohl frühestens hundert Jahren eine starke islamische Gemeinschaft die Demokratieverträglichkeit einer der beiden heutigen großen deutschen Kirchen haben wird, das muss sich erst zeigen.

Den so genannten Dschihadismus gänzlich in unsere Jahre zu verlegen halte ich für alles andere als zweckdienlich. Statt dem nebligen Wort Dschihadismus sollten wir also das Wort Dschihad bevorzugen. Denn es ist eine jede dschihadistische oder besser gesagt dschihadische Theologie viel zu koranisch, viel zu schariatreu.

Der theokratische Umsturz in Teheran 1979 ist kein islamischer Betriebsunfall sondern koranisch logisch. Auch wenn, wie Musharbash schreibt, das moderne Werkzeug ganzer Containerladungen von in Frankreich produzierten Propaganda‑Tonbändern den Einzug des Ayatollah vorbereiten half.

Musharbash nennt die Nähe der Dschihadisten des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts zur mittelalterlichen islamischen Orthodoxie indirekt sehr wohl. Etwa an der Stelle, an der der Autor den Mörder des schariakritischen ägyptischen Präsidenten Anwar as‑Sadat zu Wort kommen lässt, der zu seinem verachtenswerten Tun vom 6. Oktober 1981 wenig später erklärte: „Ich habe den Pharao getötet!“

Pharao. Rom. Die Juden. Genau in einem solchen Denken nämlich zeigt sich islamisches Geschichtsbewusstsein. Zwar krankes Geschichtsbewusstsein, das mag ja sein, aber echt islamisches und zugleich echt terroristisches Geschichtsbewusstsein. Den „Westen“ anzugreifen, wir sollten vielleicht besser sagen: Die Städte der Nichtmuslime oder die kulturelle Moderne anzugreifen, das genau ist aus Sicht der „motivierten“ Dschihadkrieger Allahs Auftrag der „Zivilisierung der barbarischen al‑Dschâhiliyya“, der vorislamischen Zeit der frevlerischen Unwissenheit. Ob as‑Sadat oder Bush, ob Parlamente oder Päpste: Nichts als „Pharao“, Rückständigkeit und Unterentwickeltheit oder aber schuldhaftes Verhöhnen des vielfach vermuteten Gottes Allah.

Islamische Logik könnte so klingen: „Sträube dich nicht. Öffne dich. Du Demokrat oder auch Christ, deine Lebensform ist ein vorislamisches Fossil, ein Dinosaurier, und des baldmöglichen Aussterbens im Lichte Allahs wert. Nur Muslime sind von Allah bejahte Menschen. Du magst auch endlich die Schönheiten des Islams bekennen, wie Allah es für dich schließlich von Anfang an vorgesehen hat. Oder aber dein letztlich wertloser Körper wird schmerzvoll gerichtet, in der jenseitigen Hölle oder zusätzlich von Allahs Helfern hier im Diesseits, ebenfalls ganz im Sinne der Unausweichlichkeit. Sträubt euch nicht, Europäer, öffnet euch der Islamisierung! Denn Islam heißt Frieden“.

Erhellend, wenn Musharbash etwa ein selbst geführtes Gespräch mit einem einfachen Taxifahrer schildert oder uns berichten kann, wie ein terrorkritischer Londoner Geistlicher von seinen eigenen Radikalen zum relativen Widerrufen getrieben wird. Letzteres sollte man eigentlich rent‑a‑fatwa nennen dürfen: schnitze du dir als Terrorist deinen passablen Theologen. Von den Londoner Hasspredigern sagt der Autor leider nichts.

Erfreulich und irritierend überraschend, wie der Autor (198) dann doch zum sicherlich richtigen Schluss kommt, dass „keine Gehirnwäsche notwendig ist“, um sich als Dschihadist in den Irak aufzumachen und dort massenhaft Menschen zu ermorden. Warum kennzeichnet Musharbash dieses Tun aber nicht als das, was es ist, nämlich als krisenhaft islamisch?

Insgesamt trennt der Autor bei seiner Analyse der Lebensläufe der Terroristen beziehungsweise Dschihadkrieger psychisch‑subjektive Begründungen zu wenig von den sattsam bekannten machterpicht geheuchelten oder auch sozial erpressten Alibis. Über die Verantwortung der gewalttätigen islamischen Kindererziehung an der weltweiten islamistischen Gewalt hat Musharbash, Sohn einer Deutschen und eines Jordaniers, wohl noch nie nachgedacht. Auch das über viele Jahrhunderte praktizierte Grauen von dem alle Frauen versklavenden Religionsgesetz der Scharia sowie von einem in Europa immer noch kaum bekannten, geradezu rassistischen Kasten‑System namens Dhimma oder Dhimmitude übersieht der bikulturelle Autor ebenso großzügig wie die eineinhalb Jahrtausende alte theologische Plausibilität islamischer Kriegsführung.

Einer gottgefälligen Kriegskunst, die wir eurozentrischen Demokraten vielleicht völlig zu Unrecht als „Terrorismus“ wahrnehmen? In diesem Sinne wäre auch der Titel einer im Übrigen ausgesprochen lesenswerten Broschüre des nordrhein‑westfälischen Innenministeriums blanker Unsinn von und für Dhimmis: „Islamismus – Missbrauch einer Religion“, wo es wesentlich treffender hätte heißen müssen und Irshad Manji und Bassam Tibi und ein paar meiner muslimischen Freunde mir verzeihen mögen: „Islamismus – Gebrauch einer Religion“. Nicht Missbrauch, sondern Gebrauch. Anwendung. Umsetzung. Ausführung.

Sprache. Man rede doch also bitte von edler islamischer Kriegskunst – nicht von Terror. Wir Europäer sollten diesbezüglich bereits sprachlich wesentlich kultursensibler werden, das jedenfalls legt uns al‑Qaida ganz wohlwollend ans Herz.

Jacques Auvergne

Mina Ahadi, eine starke Persönlichkeit

Dezember 13, 2007


Erster Dezember, Universität Köln: Mina Ahadi

vom Zentralrat der Ex‑Muslime fordert

die kopftuchfreie Schule. Vorab

eine Begegnung auf der

Hinfahrt nach Köln

Mina

Ahadi

Karagözlü:

Mina Ahadi, Ralph Giordano und Günter Wallraff gestalteten eine spannende Podiumsdiskussion, Michael Schmidt‑Salomon moderierte gekonnt. Am selben Tage hatte ich ein besonderes Erlebnis: Ich traf eine Frau mit Burka, die sich bemühte, mit einem eilig kurz vor ihr gehenden Mann, vielleicht ihr Ehemann, Schritt zu halten. Dieser, vielleicht ägyptischer oder syrischer Herkunft, war mit einer weißen, ’westlichen’ Hose gekleidet, über die ein weißgrauer, längsgestreifter, wadenlanger Kaftan oder Kittel fiel, auf seinem Kopf befand sich ein schneeweißer samtener Kaffeewärmer, pardon, eine fromme Kappe. Der Mann glich damit einer Mischung aus Chirurg, Panzerknacker und Bäckermeister. Die Frau aber trug ihre rabenschwarze Burka, und allein das, weiß gegen schwarz, wird so manchen zum Hinsehen genötigt haben. Es ist, vorläufig, die erste Burka in der Stadt. Doch wie lange noch? Die Burka hatte kein Gesicht, sondern, von der sozialen Außenwelt zur Frau hin, ein blickdichtes Stoffgitter. Schwarzes Fliegengitter statt Gesicht! Aus dem Stoffgefängnis jedoch ertönte es in glasklarem Deutsch: “Nicht so schnell, nicht so schnell, ich komm` nicht mit!“ Ich muss gestehen, da ’kam ich auch nicht mit’, wie man so sagt. Die Frau unter der Burka scheint eine Konvertitin zu sein.

Auvergne:

Vielleicht haben wir die Gelegenheit, den Fall am Ort und in den nächsten Monaten zu verfolgen. Das technisch eingefangene, sexuell eroberte und kulturell islamisierte Weibchen stammt aus der niederen Kaste der christlichen Dhimmis?

Karagözlü:

So könnte ein Scharia‑Befürworter es formulieren. Durch dieses erschreckende Erlebnis aufgewühlt, achtete ich in den folgenden Stunden auf die Kleiderordnung der Passantinnen und Passanten der durchquerten rheinischen Städte. Auffällig war, dass im Laufe des Nachmittags die Zahl der Kopftücher abnahm.

Auvergne:

Der Kopftuch‑Quotient pro Stunde in freier Wildbahn schien zu sinken? Die Hijabfrauen dürfen gegen Abend nicht mehr vor die Türe?

Karagözlü:

Offensichtlich hat eine ehrbare Muslima ab einer bestimmten Uhrzeit in der städtischen Öffentlichkeit nicht mehr in Erscheinung zu treten. Nun, sie wird den Einkauf erledigt haben.

Auvergne:

Und flanieren darf sie nicht.

Karagözlü:

Der Einkauf war ihr Alibi. Jetzt aber gehört sie ins Haus und gehört die Innenstadt den Ureinwohnern. Die älteren türkischen Männer besuchen kurz die Teestube und kehren dann nach Hause zurück. Spätabends gehen dann allerdings die ganz jungen türkischen Männer auf die Straße, so ab 14 Jahren aufwärts, da stehen diese Burschen den deutschen Altersgenossen in nichts nach.

Auvergne:

Klingt doch integriert, diese letzte Feststellung.

Karagözlü:

Ja, wenn die muslimischen Mädchen dabei wären! Die jedoch dürfen das Haus abends gar nicht mehr verlassen. Auch hier scheint sich etwas geändert zu haben, noch vor einigen Jahren konnten muslimische Mädchen, wenn auch nur in Begleitung ihrer Brüder, in Diskos gehen.

Auvergne:

… die Familien sind frommer geworden, das heißt …

Karagözlü:

… sie sperren ihre Töchter weg.

Auvergne:

Die Burka ist erschreckend, das sollte in unserer Demokratie nicht gerade Leitmodell für weibliche Kleidung werden. Erstaunlich oder vielleicht sogar kennzeichnend, dass es wahrscheinlich ausgerechnet eine Konvertitin ist, die Burka trägt. Andererseits muss der Mann richtig radikal sein; ich wette, er ist kein Türke.

Ümmühan Karagözlü

& Jacques Auvergne

Im Gespräch über Mina Ahadi

Karagözlü:

Ahadi weist ganz richtig auf das Schubladendenken der Deutschen hin, das die ’Fremden’ ebenso exotisiert und romantisiert wie es sie ausgrenzt. Wenn ich bei einer deutschen Familie eingeladen werde, möchte ich auch gefragt werden, was ich denn trinken möchte. Es kann nicht sein, dass die deutschen Gäste einer deutschen Familie krampfhaft auf ein Glas Wein oder Bier verzichten, nur weil sie mich nicht ’beleidigen’ wollen. Von mir aus können sie sich ein Wildschwein schlachten wie Obelix, solange es ihnen schmeckt und der Hausarzt nichts dagegen hat. Übrigens, vom Rotwein trinke ich gern ein Glas mit.

Auvergne:

Du als Türkin trinkst Wein, tun deine Eltern das auch?

Karagözlü:

Nein, aber ich nehme ihnen das nicht krumm.

Auvergne:

Interessant. Schon Bassam Tibi beschrieb diese Denkfalle der Europäer, die die einwandernden muslimischen Menschen, vorgeblich tolerant und in Wirklichkeit gleichgültig bis arrogant, ’fremd und anders’ lässt, sie dabei zugleich aber nicht wirklich akzeptiert. So konnten die Missstände des Orients, konnten Patriarchat und Theokratie geleugnet werden. Gerade für die ebenso machtbesessenen wie feigen rot‑grünen Funktionsträger der Neunziger Jahre war dies eine glückliche Entlastung.

Ahadi hat ein Tabu öffentlich gebrochen, und das ist ganz neu: Du kannst gerne mit Islam leben oder aber du kannst deinen Islam abstellen. Männer und gelegentlich sogar Frauen, die ’unreligös’ lebten, sind im städtischen Islam aller Zeiten wohl gar nicht so selten gewesen. Sich aber zu seiner Apostasie öffentlich zu bekennen, das hat nur alle hundert Jahre jemand gewagt, und der war sich seines Lebens nicht mehr sicher. Denn der Apostat darf getötet werden, jeder fromme Muslim darf dieses Hadd‑Vergehen, diese ’Grenzverletzung Gottes’ rächen und den Abweichler ermorden.

Karagözlü:

Du hast richtig festgestellt, dass die Großfamilie ein islamischer Mikrokosmos ist, eine Art ’Umma im Kleinen’, und dass ein Verweigern der ungeschriebenen Familienregeln als Apostasie gefühlt wird. Das hat in den so genannten Ehrenmordmilieus entsprechende Folgen. Das Beleidigen der Familie ist identisch mit dem Beleidigen Gottes. Der Einzelne gilt nichts.

Mit den Ergebnissen der Totalitarismusforschung ließe sich sagen: Faschismus ist der Rückfall in die Vormoderne.

Auvergne:

Die Vormoderne denkt kollektivistisch, die kulturelle Moderne individualistisch. Da ist es ein Ärgernis, dass Islamkritik in Europa leider gerade auch von vormodern argumentierenden Leuten geäußert wird, die uns dann nämlich deutschnationales Kollektiv oder evangelikales Gottesgesetz als ’Gegengift’ gegen die zu Recht angeprangerte Gefahr der schleichenden Islamisierung Europas empfehlen. Ahadi betont dem gegenüber ganz angemessen die Universalität der Menschenrechte.

Karagözlü:

Doch das Grundgesetz endet nicht vor der Haustüre! Die Kinder zu schlagen, wie in türkischen Familien üblich, oder korangemäß die Ehefrau zu schlagen, muss von der Demokratie als Straftat geahndet werden.

Auvergne:

Demokratie statt Theokratie …

Karagözlü:

… mit Ahadi bezeichnet endlich jemand öffentlich das Kinderkopftuch als eine Kinderrechtsverletzung, ermutigend, wie sie Kinderrechte endlich im Grundgesetz verankert sehen will! Wir haben ein Tierschutzgesetz, aber kein Kinderschutzgesetz.

Auvergne:

Auch die medizinisch nicht absolut indizierte so genannte Beschneidung an Jungen sehe ich als Kindesmissbrauch an sowie als Verstoß gegen das Gebot der körperlichen Unversehrtheit. Dem Recht der Eltern auf religiöse und kulturelle Erziehung müssen hier klare Grenzen gesetzt werden. Ayaan Hirsi Ali hat diese Forderung des Verbots der MGM, der männlichen Genitalverstümmelung einmal öffentlich vertreten, leider ist sie aber seit ihrem Aufenthalt in den USA von dieser Meinung zurück getreten.

Karagözlü:

Teil einer global denkenden Islamkritik muss immer auch FGM sein, die Praxis der Genitalverstümmelung an Mädchen. Da haben sich Frauen wie Waris Dirie und Hirsi Ali couragiert eingesetzt. In Ägypten etwa wird die Mehrheit der Mädchen genitalverstümmelt und wir Europäer fahren da unwissend beziehungsweise gleichgültig in den Urlaub hin.

Auvergne:

Ägypten praktiziert Klidoridektomie. Doch ist das denn nicht ein sorgsam gehütetes Geheimnis: FGM geschieht zwar in jedem ägyptischen Haus, wird Nichtägyptern gegenüber aber verschwiegen?

Karagözlü:

Das kann man so nicht mehr sagen. Und was Somalia betrifft, weiß man seit dem zweiten Buch von Waris Dirie, dass sogar hier in Europa Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt worden sind und immer noch werden.

Auvergne:

Ahadi nennt den Islam eine frauenfeindliche Religion und möchte brutale, frauenfeindliche Traditionen oder Dogmen nicht länger als ’heilig’ bezeichnet wissen. Nur der Mensch sei heilig.

Karagözlü:

Der Wert eines Mädchens, der Wert einer Frau hängt weder von ihrer Mitgift ab noch von ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Jungfräulichkeit. Keine Religion ist hierbei jedoch so brutal wie der Islam, der dafür sogar manchmal töten lässt.

Auvergne:

Das ist eine Obszönität, dieser religiöse Kult um das islamische ’heilige Jungfernhäutchen’, ein schreckensreiches mentales Gefängnis, mit dem neuerdings Europas Schönheits‑Chirurgen viel Geld zu verdienen beginnen: Restaurierte Jungfräulichkeit ist 2007 zum bundesdeutschen Produkt geworden. Den Mädchen aus jenen Milieus wird ein Recht auf eine Intimität, auf selbst bestimmte Sexualität vorenthalten bleiben. Diese Form von Islam ist eine durch und durch neurotische, eine obszöne Religion.

Karagözlü:

Islamkritik ist in der Tat gefährlich, und Ahadi fordert uns Demokratinnen und Demokraten dazu auf, gegen diesen gewaltigsten Totalitarismus des 21. Jahrhunderts Farbe zu bekennen, um die kulturelle Moderne zu retten, das heißt: um unsere Bürgerrechte und unsere Meinungsfreiheit zu retten.

Auvergne:

Wir dürfen in den nächsten zwei Jahrzehnten nicht den Fehler machen, den islamischen Verbänden, Gemeinschaften oder demnächst wohl Parteien eine humanistisch‑aufklärerische oder auch nur eine demokratieliebende Haltung zu unterstellen. Diese islamischen Kollektive wollen nichts als die Zerstörung der Demokratie – mit den Mitteln eben dieser Demokratie! So funktioniert Legalismus. 1933 hat Ähnliches schon einmal so begonnen: die NSDAP wurde gewählt, ganz demokratisch. Nachher gab es keine Wahlen mehr. Man hätte es lesen können.

Wir werden die Gründung von islamischen Parteien vielleicht gar nicht mehr verhindern können. Islamisch inspirierte Kriminalität, nicht zuletzt Wirtschaftskriminalität wird unsere Städte auf einige Jahrzehnte ebenso bestimmen wie die drei Formen des Innenstadt‑Dschihad, sprich: Mobbing, Erpressung und Korruption. Gegenwärtig steuern Mailand, Lyon, Paris, Brüssel und London auf die Lebenswirklichkeit von Beirut oder Kairo zu. Wer etwas anderes vermutet, der träumt oder lügt. Cousinenehen und Kinderheirat finden in Deutschland nahezu ungestört statt, arrangierte Ehen sind in der türkisch‑muslimischen Community ohnehin immer häufig gewesen.

Karagözlü:

Die EU und Deutschland haben Angst vor wirtschaftlichen Einbußen. Nur deshalb sind sie für den völlig verantwortungslosen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Die Vollmitgliedschaft darf nicht länger angeboten werden.

Auvergne:

Das sehe ich genau so, alle Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollten wir Europäer sofort und ohne Begründung abbrechen, zumal die europäische wie deutsche Öffentlichkeit seit Jahren falsch informiert wird …

Karagözlü:

… ja. Und Erdoğan und seine AKP betreiben seit Jahren eine dynamische Islamisierung des Landes: sie steuern Kleinasien, so sagen mahnende Stimmen mit Berechtigung, auf einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu! Mit dem derzeitigen Islam ist keine Demokratie aufzubauen, was im Übrigen die Herren Gül und Erdoğan ganz genau wissen. Die AKP wird, ganz im Einklang mit der Scharia, die Frauenrechte einschränken! Das Wort ’Schutz‑Status’ ist bereits gefallen, was wir nicht für Gleichheitsfeminismus halten dürfen: Behinderte, Alte, Kinder und Frauen seien unter besonderen Schutz zu stellen. Damit fällt, was man auf den ersten Blick übersehen könnte, der erst vor drei Jahren durchgesetzte Gleichheitsgrundsatz unter den Tisch!

Auvergne:

Mina Ahadi erkennt die ja gerade auch von Islamist Erdoğan voran getriebene Verschleierung von Mädchen als Kinderrechtsverletzung, als Kindesmissbrauch. Ihre Worte und ihre Haltung geben mir Hoffnung. Vielleicht gelingt es uns doch noch, das Lehrerinnenkopftuch aus Deutschlands Klassenzimmern heraus zu halten.

Karagözlü:

Bitte nicht nur das Lehrerinnenkopftuch! Zumal Ahadi ja gerade die Mädchen, unsere Schülerinnen also, vom ungeheuren moralischen und sozialen Druck, der von dem ausgeht, was du so richtig als ’Kopftuchmobbing’ bezeichnet hast, entlastet sehen möchte.

Aber ’Schule’ reicht mir nicht, es muss die gesamte Erziehungs- und Bildungslandschaft sein, vom Kindergarten bis zur Universität, dazu der Raum der Rechtssprechung: Richterinnen, Rechtsanwältinnen und Schöffinnen. Gericht muss kopftuchfreie Zone sein! Das gilt auch für`s Klientel, also: für Zeuginnen, Beobachterinnen und Besucherinnen.

Auvergne:

Das überzeugt mich. Vielen Dank für dieses Gespräch.

Kölner Podiumsdiskussion

Dezember 12, 2007


1.12.2007, Universität Köln, Hauptgebäude, 18.00 Uhr Podiumsdiskussion: Mina Ahadi, Ralph Giordano und Günter Wallraff fordern die kopftuchfreie deutsche Schule!

Deutsche Schulen

kopftuchfrei

Problem Kopftuch. Muslimische Parallelkulturen in Deutschland. Iran 1979. Islamisierung Europas. Politischer Islam weltweit. Großmoschee‑Prahlbauten. Korankritik. Zum islamischen Frauenhass

Prof. Dr. Schmidt‑Salomon aus Trier ist Philosoph und der Moderator der heutigen Podiumsdiskussion. Von Jacques Auvergne erstellt aus seinen handschriftlichen Notizen

Mina Ahadi. Flucht aus dem Iran, dort in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Gründerin und Vorsitzende des Internationalen Komitees gegen Steinigung, des Internationalen Komitees gegen Todesstrafe. Ex‑Muslima. Vorsitzende des Zentralrats der Ex‑Muslime.

Dr. Ralph Giordano. Jüdischer Abkunft. Überlebte das Dritte Reich nur im Versteck in Hamburg‑Alsterdorf, was der Film „Die Bertinis“ darstellt. Lebt in Köln. Gegen überdimensionierte Großmoscheebauten. Heute („menschliche Pinguine“) gegen Burka, Niqab und Tschador in der europäischen Öffentlichkeit. Jahrzehntelang von Neonazis, seit kurzem aber von Islamisten bedroht. Hält den Islam für eine einzige institutionalisierte Herabwürdigung der Frau.

Günter Wallraff. Legendärer investigativer Journalist, bekannt geworden durch die Enthüllungsarbeit zur BILD‑Zeitung und über die Lebensumstände türkischer Hilfsarbeiter in der deutschen Industrie. Versteckte zeitweilig den Islam‑Kritiker Salman-Rushdie. Schlug spontan vor, Salman Rushdies „Die satanischen Verse“ im künftigen Köln‑Ehrenfelder Moscheegebäude zu lesen, ein Ansinnen, das von dort aber zunehmend deutlich abgelehnt wird. Ist grundsätzlich für den Bau respektabler islamischer Gebetsstätten. Kritisiert den Polit‑Islam als Islamofaschismus und den traditionellen Islam als frauenunterdrückerisch. Kritisiert viele einzelne Stellen des Korans wie auch ein heutiges wortgetreues Befolgen des Korans.

Mina Ahadi meint

sinngemäß am 1.12.2007

Der Zentralrat der Ex-Muslime trat Ende Februar 2007 an die Öffentlichkeit und sorgte weltweit für Schlagzeilen.

Menschen aus Nordafrika, Kleinasien und dem Nahen Osten bekommen in Europa das Etikett Muslime verpasst, ob sie es wollen oder nicht. Auch die Verbände beschlagnahmen uns.

Ich bin seit dreißig Jahren keine Muslima, doch dann komme ich nach Europa – und „soll“ hier plötzlich Muslima sein. Die islamische Dogmatik sagt in der Tat, dass man aus der Religion Islam nicht austreten kann; wer es doch wagt, ist gefährdet und wird unter Umständen von Radikalen bedroht oder gar getötet.

Wir Ex‑Muslime erklären: Religion ist Privatsache! Wir bejahen die Universalität der Menschenrechte. Wir halten das Kinderkopftuch für eine Kinderrechtsverletzung.

Ich als gebürtige Iranerin werde in Europa nicht als „Rassistin“ beschimpft, wenn ich den Islam kritisiere.

Der Islam ist eine frauenfeindliche Religion; ich bin gegen alle frauenfeindlichen Religionen.

Tradition oder Dogma ist nicht heilig, nur der Mensch ist heilig!

Islamkritik ist gefährlich, mein Leben wird durchaus von Terror, von Angst geprägt – doch wenn wir schweigen, dann wird es noch schlimmer und immer noch schlimmer! Doch wenn die Demokratinnen und Demokraten mehr Gesicht zeigen und das heißt ja auch: viele Gesichter zeigen, dann wird der organisierte Islam keine Chance haben, die Bürgerrechte und die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Einen „liberalen Islam“, wie ihn etwa Irshad Manji oder Prof. Bassam Tibi sich vorstellen, wird es von Einzelpersönlichkeiten abgesehen auf absehbare Zeit nicht geben können. Der derzeitige Islam ist nicht reformierbar! Wer etwas anderes sagt wird nichts anderes sein als ein Spielball der Islamisten; die ohnehin äußerst seltenen Vorschläge von „Islamreform“ und „Reformislam“ scheinen mir nichts anderes sein zu können als ein bewusstes oder auch unbewusstes Kooperieren mit dem politischen Islam. Islam ist seit 1979 eine aggressive politische Bewegung.

Iran, das ist jeden Tag Krieg gegen Frauen, Iran bedeutet täglicher Kampf des Regimes gegen Jugendliche, gegen alle freiheitsliebenden Menschen.

Es gibt also den politischen Islam, den Islam als Totalitarismus. Überlebensnotwendig ist damit, zu definieren, dass Religion Privatsache ist.

Nach 1979 entstand in Iran, Pakistan und Afghanistan der politische, auf weltweite Beeinflussung aller Muslime zielende Islam.

Wenn aber in Köln eine sehr, sehr große Moschee gebaut wird, dann werden in den umliegenden Stadtvierteln noch viel mehr Kopftücher und in noch viel radikaleren Varianten getragen werden. Eine Mega‑Moschee wird bedeuten: noch mehr Mädchenunterdrückung!

Die Bundesrepublik hat an Kleinasien, Nordafrika und vor allem im Nahen Osten ein großes wirtschaftliches Interesse, deshalb hat sie seit drei Jahrzehnten geschwiegen zu den menschenrechts- und vor allem frauenrechtsfeindlichen Missständen im Zuge der neuen Islamisierung.

Doch wie Dr. Schmidt-Salomon ausführte, gibt es drei etwa gleich starke Gruppen unter den deutschen Muslimen, die dezidiert Religiösen, die distanziert Religiösen und die Areligiösen. Was aber tut die Bundesrepublik für eben diese dritte Gruppe? Ich kritisiere am Schärfsten die deutsche Regierung!!!

Ein Kind ist ein gänzlich neuer Mensch und kann recht eigentlich nichts dafür, in welche radikale Sekte oder sonstige familiäre Wagenburg es hinein geboren wird. Die Verschleierung von Mädchen also ist mentale Kindesmisshandlung!

Kopftuch isoliert das Kind, das dann auch meistens längst nicht mehr am Schwimm- oder gar Sport- und Kunstunterricht teilnehmen darf. Alle gucken das Kind an, es muss sich „fremd“ fühlen, was elterlicherseits auch wohl oftmals beabsichtigt ist. Schluss damit!!!

Ja, Kopftuch ist eine Kinderrechtsverletzung!

Ja, Kopftuch ist Instrument der Frauenunterdrückung!

Ja, Kopftuch ist politisches Kriegszeichen im Gemeinwesen, im Stadtviertel! Denn überall da, wo straßenzugweise viele Kopftücher getragen werden, da haben auch die Islamisten das Sagen.

Wir alle müssen jetzt `was tun, um die Kinderrechte zu verteidigen. Profis aus Schule, Bildung und Erziehung stimmen dabei regelmäßig begeistert zu.

Zudem ziehen anfängliche wenige Kopftücher bald, wie eine Kettenreaktion, gleich einen ganzen Schwarm von Kopftüchern nach sich – regelmäßig verbunden mit unmenschlichem sozialem Druck. Das System ist immer genau dieses: es beginnt mit dem Kopftuch und endet mit dem Ehrenmord!

Wir müssen alle religiösen Symbole in der Schule verbieten. Diese Strategie wird man nicht als „rechts“ diffamieren können, sondern als human erkennen.

Günter Wallraff meint

sinngemäß am 1.12.2007

Wir sollten die Gefahr des theokratischen Christentums nicht verkennen, denn auch die Evangelikalen oder Kreationisten bedrohen die Demokratie. Im amerikanischen Bible Belt möchte kaum einer von uns säkularen Europäern leben. Nun aber zum Thema Islam.

Ich als bekennender Ehrenfelder sage: da, wo die provisorische und viel zu kleine Moschee nun schon seit Jahren steht, da soll auch endlich ein ansehnliches Gebäude hin. In Ehrenfeld gibt es nun wirklich nicht viele Sehenswürdigkeiten. Und wer weiß es denn, Touristen wollen vielleicht auch mal, nachdem sie den Kölner Dom gesehen haben, einen Abstecher nach Ehrenfeld machen, um sich die schönste rheinische Moschee anzusehen.

Alles ist im Fluss. Es gibt sicherlich im Islam die expansive, dominierende und bedrohliche Seite. Aber es gibt auch die rück- und gegenläufige Tendenz. Sicherlich ist der Islam hierarchisch und konservativ. Aber ich kenne auch junge muslimische Frauen mit Kopftuch, die mir als nichtmuslimischem Mann die Hand geben, ohne sie sich hinterher gleich zu waschen.

In der Tat ist der Spielraum für das Projekt Ehrenfelder Moschee eingeschränkt, solange die türkische Regierung die Zügel derart fest in der Hand hält.

Ich bin für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union, eben gerade damit die Islamisierung dort nicht so schnell voran schreitet!

[Anm.: Unmut des Protests gegen Wallraffs Aussage schafft Unruhe im Publikum]

Es sind die Hinterhofmoscheen, die die Radikalisierung begünstigen. Je mehr Hinterhof, desto mehr religiöse Aggressivität. Die großen und repräsentablen Moscheen werden die von uns gewünschte Transparenz schaffen helfen! Zumal uns ja zugesagt wurde, die ins Deutsche übersetzten Freitagspredigten ins Internet zu stellen – diesbezüglich ist man uns im Wort.

Einst versteckte ich meinen Freund Salman Rushdie, in einer Zeit, in der er von einer Todes‑Fatwa bedroht wurde.

Richtig, ich habe unlängst vorgeschlagen, in einer künftigen großen Ehrenfelder Moschee Salman Rushdies „Die satanische Verse“ lesen zu lassen, nicht im Sakralraum übrigens, sondern in einem Gemeinderaum. Man hat mir auch sofort zugestimmt, erst seit wenigen Wochen macht die Gemeindeleitung einen Rückzieher und will mir nicht einmal gewähren, in meinem Zelt auf dem Parkplatz die „Satanischen Verse“ lesen zu lassen. Übrigens stand am Anfang meiner Beziehung zur Moscheegemeinde ihr Vorschlag, doch in den Moschee‑Beirat einzutreten, da erst und ganz spontan sagte ich, ja, wenn ihr mich Rushdies „Verse“ lesen lasst. Nun ja.

Ich will den kritischen Dialog!

Andererseits musste ich erkennen, dass ich vor Jahren bereits einmal ausgenutzt und schäbig vorgeführt wurde, in der Mühlheimer Moschee referierte ich kritisch‑solidarisch über Licht- und Schattenseiten aller dreier großen monotheistischen Religionen. Und was geschah? Alle meine Kritik über das Christentum wurde genüsslich ins Türkische übersetzt, wie abgesprochen. Doch spreche ich kein Türkisch, und so habe ich jahrelang nicht erfahren, dass man meine islamkritischen Sätze einfach nicht übersetzt hat. Es kam noch schlimmer. Zeitgleich wurde im Haus eine Umfrage gemacht, ob die Todes‑Fatwa gegen Rushdie zu bejahen wäre. Die Antwort der Mehrheit ergab ein „Ja“.

In der Bibliothek einer Moschee im Raum Köln gibt es, wie ich etwas erschrocken feststellte, nur religiöse Traktätchen. Um derartiger Einseitigkeit abzuhelfen, werde ich in Kürze eine Bücherspende leisten mit Klassikern der Weltlitaratur, so hoffe ich, ein etwas umfassenderes Weltbild mit stiften zu helfen. Naja, früher waren die kirchlichen deutschen Gemeindebibliotheken doch auch derart engstirnig, nicht wahr?

Im Übrigen frequentieren nur 3 % der Muslime eine Moschee. Damit spätestens wird klar, dass nicht nur der Islam das Problem ist. Problem ist eine völlig verfehlte Einwandererpolitik!

[Anm.: Applaus im Publikum]

Giordano:

„Der Übersetzer hat dich beschissen?“

Wallraff:

„Das ist richtig.“

Giordano:

„Das ist Taqiyya: sakrale Lüge, Lügen für Allah! Sie lügen dir ins Gesicht, sie lügen in die Kamera. Taqiyya eben.“

Wallraff:

„Aber nein, Taqiyya, so sagen mir alle Fachleute und darunter viele nichtmuslimische, Taqiyya war einst dem einzelnen Muslim und nur während der frühmittelalterlichen Religionskriege und nur unter Lebensgefahr gestattet, also kann heutige eventuelle Unwahrheit keine Taqiyya sein. Heute gibt es keine Taqiyya mehr!!!“

Giordano:

Doch! Doch! Doch!

[Wallraff weiter]

Deutschland würde vergreisen ohne Immigration, ohne Einwanderer. Wir haben die heutigen Migranten doch überwiegend angeworben und sie, die Italiener, Griechen und Türken, sie waren „gut genug“ für die gefährlichste und dreckigste Arbeit.

Deutschland leistet seiner eigenen Islamisierung womöglich ungewollt Vorschub – mit dem so genannten Gotteslästerungsparagraphen, denn dieser unsägliche § 166 StGB, ein aus der Vormoderne stammendes Gesetz, wird womöglich demnächst von Islamisten als Waffe gegen die säkulare Demokratie benutzt werden. Und ausgerechnet Bayern will diesen Paragraphen auch noch verschärfen. Ich sehe eine christliche humane Kraft in der Kette der Tradition von Sokrates über Jesus zu Gandhi.

Nun zum Kopftuch.

Wenn zwölfjährige Mädchen das Kopftuch tragen müssen, dann ist das eine bigotte Auslegung des Korans, durchaus nach der Vorstellung, jeder Mann sei ein Kinderschänder.

Gleichwohl bin ich gegen ein generelles Kopftuchverbot, aus drei Gründen. Erstens treffen wir wieder einmal die Falschen. Zweitens würde durch die Dynamik des normalen pubertären Protestierens der gegenteilige Effekt überwiegen und würden selbst und gerade die Töchter von kopftuchkritischen Eltern das Kopftuch plötzlich „aufregend verboten“ und somit attraktiv finden. Wir treiben diese Mädchen also den Radikalen regelrecht zu. Drittens schafft ein Kopftuchverbot „Märtyrer“. Nur die ganz jungen Mädchen also, zwölf Jahre und jünger, die sollen kein Kopftuch tragen dürfen.

Du Ralph [Giordano] hast Burkaträgerinnen mit einem „menschlichen Pinguin“ verglichen. Ja, die Burka ist ein mobiler Kerker!

Giordano:

Das deutsche Kopftuch ist nur ein Vorspiel, irgendwann kommt die Burka.

Wallraff:

Burka – nie in der BRD!

[Zwischenruf aus dem Publikum: „Heute gesehen, schwarze Burka“, „statt Gesicht ein Fliegengitter“]

Ich erlebe Ängstlichkeit und Feigheit. Die Deutschen ducken sich weg, sind feige. Welcher katholische Pastor glaubt denn wirklich an Sachen wie die Jungfrauengeburt oder Auferstehung? Kleine Minderheiten, und die sind in der Regel behandlungsbedürftig. Die islamischen Höllen‑Visionen etwa des Korans sind lebenslang verängstigend, verstörend, wie lese ich doch gleich hier [blättert im Koran]: „die Ungläubigen … Schreie, in Flammen verbrennen, siedendes Wasser trinken, bis die Gedärme platzen“. Das sind pädagogisch problematische Worte.

Korankritik ist nötig. Doch die Deutschen haben bereits jetzt vorweggenommene Angst, „Gratis‑Angst“. Zwei Beispiele. Ein bayerischer Restaurations‑Fachbetrieb, Vater und Sohn, bekommt den „Auftrag des Lebens“, im Oman oder in Jemen die Kuppel einer Moschee zu vergolden. Beide Bayern treten zum Islam über, damit ihnen der Auftrag nicht entgeht! Der zweite Fall: in Großbritannien steht ein gewaltiges Millionen‑Erbe an, testamentarische Bedingung: der Ehemann der islamischen Begünstigten muss endlich zum Islam konvertieren! Was geschieht? Der Mann lässt sich beschneiden und legt sein feierliches Glaubensbekenntnis ab und tritt damit offiziell und lebenslang unwiderruflich zum Islam über. Das kommt auf uns zu! Das ist das Problem.

Ralph Giordano meint

sinngemäß am 1.12.2007

Mein persönlicher Weg der Entwicklung einer eigenen säkularen Identität dauerte wohl einige Jahrzehnte. Heute nenne ich mich einen glaubenslosen Humanisten. Mit dieser Haltung weiß ich mich euch beiden verbunden.

Wenn es das unbedeckte Haar Frau ist, das die Begehrlichkeiten der Männer weckt, so zitiere ich gerne einen klugen Menschen, dann ist es besser, den Männern Handschellen anzulegen als den Frauen ein Kopftuch.

Bekir Alboğa – ich warne vor diesem Menschen.

[Zustimmung im Publikum]

Überdimensionierte Moscheen entsprechen weder dem Bedarf der Muslime noch dem Wunsch der Kölner Bevölkerung. Ich habe viele hundert Briefe von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die fast alle meiner Kritik am Bau einer Ehrenfelder Riesenmoschee beipflichten. Diese Briefe widerspiegeln aber auch die Feigheit der Politiker aller Parteien, die seitens der Bevölkerung unerwünschte Megamoschee zum Thema zu machen.

Mit das niederträchtigste Argument der politisch Aktiven, der Kühnasts, Roths und Ströbeles gegen meine Argumente, ist es, zu sagen, ich würde zum Umfeld von Leuten wie den auch als Moscheebaugegnern erkennbar gewordenen rechtsradikalen Kreisen um pro‑Köln gehören. Pro‑Köln hat mich verklagt. Den Terror von Rechts bin ich mein Leben lang gewohnt, tausendfach, über Jahrzehnte. Und ich bleibe dabei: jene rechtsradikalen Kreise, wenn sie so könnten wie sie wollten, sie würden mich auch heute noch in die Gaskammer stecken. Jedenfalls sehe ich dem anstehenden Gerichtsprozess mit Spannung und Begeisterung entgegen.

Mir neu ist der islamistische Terror, der auch als Telefonterror auftrat. Im Laufe der Jahrzehnte habe ich geschätzte 1.300 Morddrohungen erhalten. Jetzt aber werden die gefährlichsten von ihnen von islamistischer Seite ausgesprochen.

Ich bin kein Türkenschreck, ich bin kein Antiislamismus‑Guru. Ich habe vielmehr auf ein drängendes gesellschaftliches Problem aufmerksam gemacht, das von der Politik allzu lange versäumt wurde.

Christentum und Islam dürfen wir nicht einfach vergleichen. Das Christentum hat Jahrhunderte der Säkularisierung durchgemacht, der Islam eben nicht. Über Renaissance, Aufklärung, Bürgerliche Revolution und Fortschrittliche Demokratie ist eine kulturelle Moderne entstanden, die im Orient keine Entsprechung hat. Deswegen dürfen wir ein Moscheegebäude nicht mit einem Kirchengebäude vergleichen, das wäre ahistorisch. Mit dem derzeitigen, dem säkularisierten Christentum kommt die derzeitige Demokratie ganz gut aus. Der problematische Islam aber ist ganz neu für uns in Westeuropa.

Nicht die Moschee, der Islam ist das Problem!!!

Ich habe den Koran gelesen. Etwa zweihundert Stellen gibt es im Koran, an denen dazu aufgefordert wird, die Ungläubigen zu töten. Und Ungläubige sind auch die Christen und wohl auch einmal die Polytheisten, in erster Linie ruft der Koran jedoch zur Ermordung der Juden auf, der Juden und wieder der Juden! Der Koran bedroht uns!!!

Der Islam bedroht uns. Wenn und weil und solange weltweit von Muslimen geglaubt wird, jedes Wort des Korans stamme von Allah, deshalb bin ich tief beunruhigt.

Sie sollten sich den Film „Der Koran im Kopf“ ansehen, die Hauptfigur Barino müsste jedem Demokraten Angst machen. Barino ist ein junger Konvertit, den das Fernsehteam auf seinem Prozess der persönlichen Radikalisierung begleitet. Barino ist eine tickende Zeitbombe – die Demokratie kann nichts tun.

Hände abhacken, Auspeitschung, auch das ist Scharia, islamisches Religionsgesetz. Es gibt bislang auf der ganzen Welt keinen Staat, in dem die Scharia gänzlich außer Kraft gesetzt worden ist! Keine islamische Staatsführung hat den Mut, sich öffentlich gegen die Scharia auszusprechen. Apostasie darf, soll die Todesstrafe nach sich ziehen! Und bei uns in Deutschland? Muss erst Blut fließen?

Zwischen Hinterhofmoschee und Mega‑Moschee gibt es im Übrigen viele Abstufungen durchaus würdiger Gebetsräume. Eine gigantische architektonische „Monstranz der demonstrierten Macht“ muss es nun wirklich nicht sein.

Zur Ehrenfelder Mosche: Bauherr ist DIYANET, ist Ankara! Das ist doch wichtig: wer bezahlt die Moschee?

Der Islamismus bedroht auch uns in Deutschland! Die „Kölner Kofferbomber“, die terroristische „Sauerland‑Gruppe“, nur mit viel Glück und bester Polizeiarbeit wurden viele Hundert Tote verhindert. Und die Billigung von jihadistischer Gewalt ist unter Muslimen so weit verbreitet, dass wir gerade auch der schweigenden Mehrheit der Muslime keinen „Blanko‑Scheck auf Wohlwollen und Verfassungstreue“ ausstellen dürfen.

Die Integration ist gescheitert!!!

[Zustimmender Applaus im Publikum]

Die Frage für die Bundesrepublik ist: ist die große Gruppe der türkischstämmigen Muslime integrierbar? Ich fürchte nein. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die „kollektive Integration“ auf Jahrzehnte nicht statt finden wird. Wir werden eher nebeneinander her leben denn miteinander. Oberste Priorität muss sein: keine Gewalt!

[Zustimmender Applaus]

Der Islam ist eine einzige institutionalisierte Entwürdigung der Frau!

[Applaus]

Man kann die liberale Demokratie zu Tode schützen – aber auch zu Tode liberalisieren.

So die drei AkteurInnen sinngemäß auf ihrer Podiumsdiskussion am ersten Dezember 2007, Mina Ahadi, Ralph Giordano und Günter Wallraff. Nach meinen handschriftlichen Notizen.

Jacques Auvergne

Ümmühan Karagözlü