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Resolution gegen Kinderhidjab und Kopftuch im öffentlichen Dienst

Mai 10, 2009

09.05.2009

Resolution

gegen den Kinderhidschab und das Frauenkopftuch im öffentlichen Dienst”

Für engagierte Frauen- und Menschenrechtler ist jede Form islamischer Verschleierung von Mädchen und Frauen Teil einer totalitären, politreligiösen Bewegung und weder mit den universellen Menschenrechten noch mit freiheitlich demokratischen Verfassungen kompatibel. Eine weltweite Fundamentalisierung veranlasst mehr und mehr muslimische Eltern ihre Töchter an das „Schamtuch“ (Feridun Zaimoğlu) zu gewöhnen. Helfen Überredungskunst oder pädagogische Tricks nicht, droht man mit der Hölle und mit Prügel.

Selbst moderat gebundene, mit der übrigen Kleidung geschmackvoll abgestimmte Tücher sind daher kein selbst gewähltes Modeaccessoire. Der Druck auf die Mütter durch Sippe, soziales Umfeld und politische wie religiöse Autoritäten die schariakonforme Bedeckung notfalls mit Gewalt durchzusetzen, ist ungeheuer groß. Multikulturalisten, die das Kopftuch als individuellen Weg der religiösen Emanzipation muslimischer Frauen missdeuten, erschweren säkular denkenden muslimischen Familien die Argumentation.

Die schon von weitem erkennbare Verschleierung propagiert und tradiert ein islamisch orthodoxes Menschenbild, das Mädchen und Frauen ebenso verachtet wie es Männer als willensschwache, triebhafte Wesen herabwürdigt. Die islamische Bedeckung spaltet in antagonistische Kollektive, denen ein fairer, respektvoller Umgang miteinander verboten ist: Frauen / Männer, MuslimInnen / NichtmuslimInnen, verschleierte Muslimas / Frauen mit offenen Haaren.

Das „Schamtuch“ fördert daher schon bei Kleinstkindern das Gefühl von Fremdheit und erlebter Segregation. Integration kann so nicht gelingen. Falsch verstandene, entgrenzte Toleranz und Dialogbereitschaft um jeden Preis hat den Einfluss der islamistischen Organisationen gestärkt. Auch daher hat die Anzahl der verschleierten Mädchen und Frauen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Viele Grundschülerinnen verlassen das Haus nicht mehr ohne Kopftuch, selbst in Kindergärten sieht man neuerdings Drei- und Vierjährige mit Hidjab. Das Kopftuchgebot diskriminiert bereits diese kleinen Mädchen als Verführerinnen.

Nicht nur der Europaabgeordneten Renate Sommer und der Frauenrechtlerin Mina Ahadi gilt der Kinderhidjab als Kindesmisshandlung und Kinderrechtsverletzung. Geschlechter-Apartheid sowie die grundsätzlich damit einhergehenden, vormodernen Denk-, Verhaltens- und Erziehungsmuster verstoßen gegen das Recht junger Menschen auf eine gleichgestellte und gewaltfreie Erziehung.

Sie behindern eine altersgerechte und selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung. Chancengleiche Partizipation an der (Er )Lebenswelt Gleichaltriger unabhängig von Geschlecht, kultureller Herkunft, Religionszugehörigkeit oder sonstiger Weltanschauung ist strenggläubig sozialisierten Musliminnen bereits in jungen Jahren nicht möglich.

Die Unterzeichner fordern daher ein bundesweites Verbot des Kinderkopftuchs für Mädchen bis vierzehn Jahren in der Öffentlichkeit. Darüber hinaus setzen wir uns für das Verschleierungsverbot im öffentlichen Dienst ein. Die Beschäftigten in Institutionen der Verwaltung, der Justiz sowie des Erziehungs- und Bildungswesens sind Repräsentanten und Funktionsträger des säkularen, freiheitlich demokratischen Rechtsstaates. Sie haben den Anspruch auf und die Verpflichtung zur neutralen Kleidung während ihrer Dienstzeit, ohne die eine wertschätzende und bürgerorientierte Zusammenarbeit kaum möglich ist.

Wir halten ein grundsätzliches Kopftuchverbot in Gerichtsgebäuden, Schulen (französisches Modell) und Kindergärten für unumgänglich. Bei Gerichtsverhandlungen muss zum Schutz der Zeugen und Angeklagten garantiert sein, dass selbst jede unterschwellige Beeinflussung von Plädoyer und Urteil durch politreligiöse Symbole im Saal ausgeschlossen ist. Nur gänzlich kopftuchfreie Schulen und Kindergärten gewährleisten, dass Mädchen und Jungen unabhängig von kultureller Herkunft, Religion und sonstiger Weltanschauung einen Freiraum nutzen und genießen können, in dem sie vor orthodoxer religiöser Indoktrination verschont sind.

Die Unterzeichner sind:

Zentralrat der Ex-Muslime

http://www.ex-muslime.de

Hartmut Krauss, Sozialwissenschaftler, HINTERGRUND-Verlag Osnabrück

http://www.hintergrund-verlag.de

Children First Now (Kinderrechtsorganisation)

http://www.childrenfirstnow.com

Equal Rights Now (Organisation für gleiche Rechte der Frauen)

http://www.equal-rights-now.com

I.so.L.De Lern- und Sprachförderung – i.so.l.de@gmx.de

Wir laden alle freiheitsliebenden Menschen und Organisationen ein, diese Resolution mitzuzeichnen unter http://www.petitiononline.com/s3q4a2b5/petition.html

Parteiische Frauenarbeit in Kriseneinrichtungen

Mai 1, 2009

Dr. Ludwig Zimmermann
Psychologe, Lebens- und Eheberater bei
Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat
68159 Mannheim

Ümmühan Karagözlü

(alle Personen- Vereins- und Ortsnamen wurden von der Redaktion des Blogs Schariagegner geändert)

Sehr geehrte Frau Karagözlü,

als Psychologe bin ich Mitgründer von ’Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat’, einer Menschenrechtsorganisation für Beratung und Fluchthilfe für in Deutschland und Österreich lebende Frauen, die von islamischem Fundamentalismus, Zwangsheirat und Ehrverbrechen bedroht sind.

Prinzipiell bin ich gegen jeglichen Zwang in der Religion, was sich für Fundamentalisten jeder monotheistischen Religion aber gegenseitig ausschließt: die geforderte Unterwerfung unter die Herrschaft des jeweiligen Gottes von Christen, Juden oder Muslimen ist identitätsbegründender Kern dieser Religionen, die übrigens, wie alle anderen Weltreligionen auch, von Männern gegründet, ausgebildet und mit Inhalt gefüllt und damit zutiefst patriarchalisch im Denken und Handeln sind. Kein Wunder sind alle somit auch frauenverachtend bis frauenfeindlich.

Leider sind dogmatisch starre und auf (ebenfalls männliche) identitätsstiftenden Grundsätzen fußende politische Parteien, egal ob rechts oder links, in dieser Hinsicht nicht besser: Männer kümmern sich um die Welt und Frauen sollen zuhause bleiben und sich um die K’s kümmern (Kinder, Kirche, Küche, Krankheiten…) und wenn sie raus wollen in die Welt außerhalb des Heims, sollen sie sich anständig anziehen und verhalten und zufrieden sein mit dem Platz, den sie in Kirchen und Gotteshäusern von Männern zugewiesen bekommen. Im besten Fall sollen sie die Doppelbelastung tragen, die Beruf und Familienbetreuung bedeuten; kein Mann, welcher Religion oder Kultur er auch angehört, würde das mitmachen.

So ist es kein Wunder, dass und wie fundamental gläubige Muslime ihre Haltung zu Frauen definieren und denen zwangsweise Befolgung von Regeln auferlegen, wovon das Verhüllen des Kopfes oder gar des ganzen Körpers nur eine ist, wenn auch eine deutlich sichtbare. Als „Eigentum“ ihrer Väter, Brüder und Männer werden sie sich unterwerfen und fügen müssen oder sie riskieren Leib und manchmal auch Leben. Ganz so schlimm sind die Folgen für Regelübertretungen im Christentum zwar nicht mehr, aber es ist noch nicht lange her, dass z. B. unverheiratete, geschiedene oder alleinerziehende Frauen mit Ausgrenzung, Verachtung und misstrauischer Ächtung zu kämpfen hatten.

Wenn Sie also gegen das Tragen von Kopftuch u. ä. Kopfbedeckungen bei Mädchen (es muss „Mädchen“ und nicht „Kinder“ heißen, Jungen unterliegen diesen Geboten bekanntlich ja nicht) in der Öffentlichkeit sind, weil das ihnen aufgezwungen wurde und gleichzeitig religiös begründete, frauenverachtende Haltungen aufzeigt, stimme ich Ihnen voll zu.

Aber gleich nach dem Staat zu rufen, er möge so was allgemein verbieten, findet überhaupt nicht meine Zustimmung: das ist eine hohle, politisch nicht durchsetzbare Forderung, die letztlich an unserem Grundgesetz scheitern sollte. Wenn einzelne Kindergärten und Schulen eigene Bekleidungsregeln aufstellen (z. B. Schuluniform), so haben Eltern zumindest eine Wahl und können sich nach Alternativen umsehen. Mit Verbot und Strafen sind menschliche Dummheit, Verblendung und unrechtes Handeln noch nie aus der Welt geschafft, höchstens kriminalisiert worden. Da sollte uns das Deutschland, das kurzerhand alles, was seiner Führung nicht genehm erschien, bei Strafe verbot – das Haben und Äußern eigener Meinung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Privaten, wie im Beruf etc. etc…, aber nach 40 unsäglichen Jahren glanzlos scheiterte, eine ewige Lehre sein. Man muss manche Ungerechtigkeit und falsches Verhalten aushalten lernen, um es so und dauernd bekämpfen und sich dagegen zur Wehr setzen zu können!

Ich bin auch gegen das Verschleiern von Mädchen im Kindesalter und zwar prinzipiell und ohne Ausnahme. Staatliche Verbote zu fordern halte ich aber für völlig falsch und übrigens, wie dargelegt, auch für undurchführbar.

Freundlich grüßend, und kämpfen Sie weiter gegen religiösen Wahn, Unterdrückung und Missachtung von Menschen- und Frauenrechten.

Ich schreibe Ihnen diese Zeilen privat und nicht als Vereinsmitglied des Ex Gratia, Netzwerk gegen Zwangsheirat!

Mit freundlichen Grüßen

Ludwig Zimmermann

Sehr geehrter Dr. Ludwig Zimmermann,

es ist Ihnen gelungen, mich in ungläubiges Staunen zu versetzen. Als Sozialpädagogin in der Lern- und Sprachförderung und in der parteiischen Mädchenarbeit tätig, leite ich eine integrative Mädchengruppe, in der junge Menschen mit und ohne Handicap unabhängig von Religion, Kultur und Herkunft miteinander lernen, ihre Umwelt entdecken und phantasievoll verändern und auch sonst eine Menge Spaß bei Ausflügen und kreativem Gestalten miteinander haben.

Zunächst möchte ich begründen, warum ich den Begriff Kinderhijab weiterhin vorziehen möchte.

Wenn wir uns wirksam für Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter einsetzen wollen, ist es von großer Bedeutung junge Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit in erster Linie als Kinder zu akzeptieren und zu respektieren. Wird diese betont geschlechtsneutrale Einstellung und Haltung zum Selbstverständnis und Qualitätskriterium der angestrebten gleichheitsfeministischen Sozialisation und Begegnung, fördern und unterstützen wir eine möglichst selbstbestimmte und individuelle Persönlichkeitsentwicklung bei Mädchen und Jungen, die eben nicht an geschlechtsspezifische Rollenkonzepte gebunden ist. Die Vorliebe kleiner Mädchen für Puppen und die Farbe rosa ist nämlich nicht an das zweite X Chromosom gebunden und daher auch nicht genetisch vorbestimmt.

Es trifft zwar zu, dass Jungen ihr Haar im Scharia-Islam nicht bedecken müssen, doch hat die fundamentalistische Verschleierung von Mädchen und Frauen schon sehr früh Auswirkungen auf das indoktrinierte Selbst- und Männerbild der heranwachsenden Machos sowie deren Einstellung zu Mädchen und Frauen. Mit tatkräftiger Unterstützung von Eltern, Sippe, muslimischer Community und kultursensiblen Gutmenschen bauen und festigen sie von Kindesbeinen an Patriarchat und Kalifat. Die Bezeichnung Mädchenkopftuch bei Kindergartenkindern und Grundschülerinnen ist daher unfair. Sie schiebt die Verantwortung für die angeblich freiwillig gewählte Andersartigkeit und Fremdheit von Musliminnen sehr einseitig äußerst kindlichen, meist noch androgyn wirkenden Mädchen zu, die sich auf Grund entwicklungsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit und mangelnden Durchsetzungsvermögens nicht gegen das

Sexualisieren ihres Kinderkörpers, das Dämonisieren ihrer Kinderseele und die Abwertung ihres kindlich unbedarften Wesens als moralisch verwerflich durch muslimische Fundamentalisten nicht zur Wehr setzen können. Nebenbei, nach SGB VIII § 7 (1) ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, Kind im Sinne der §1 (2) ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.

Selbst wenn Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frau und Mann in der Bundesrepublik durchaus noch ausbaufähig sind und selbst unsere Sprache patriarchalisch gefärbt ist, leben wir in einer Gesellschaft, die sich freiheitlich demokratisch nennen darf. Eine solche politische Ordnung bietet jedem einzelnen Bürger verbriefte Grundrechte und viele individuelle Chancen der Selbstverwirklichung und persönlichen Entwicklung. Sollen diese Handlungsfreiheiten und Gestaltungsspielräume von jedem gleichberechtigt genutzt werden, muss der Einzelne Verantwortung für sich und andere übernehmen und nach demokratischen Grundsätzen gemeinsam vereinbarte Regeln einhalten.

In den folgenden Abschnitten werde ich versuchen, an einem Beispiel zu erklären, welche Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten der einzelne Staatsbürger in einem Staat wie der Bundesrepublik Deutschland hat und welche wichtige Funktion Regeln und Verbote haben.

Anders als zur Zeit des Absolutismus ist das Volk Träger der Staatsgewalt. Jeden einzelnen Bürger könnte man sich daher als Leiter einer Firma vorstellen, den Staat als unseren Musterbetrieb. Das Produkt, das hergestellt werden soll, ist der säkulare, freiheitlich demokratische und soziale Rechtsstaat. Die Politiker in den Parlamenten sowie die Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst sind die weisungsgebundenen Mitarbeiter, die mit dem Bürger in seiner Funktion als „Firmenchef“ in den Abteilungen Entwicklung (Legislative), Fabrikation (Exekutive) und Qualitätskontrolle (Jurisdiktion) Hand in Hand an der Herstellung und Optimierung des Erzeugnisses Demokratie arbeiten.

Zu den wichtigsten Führungsaufgaben des Firmenchefs gehört es, als Primus inter pares die einzelnen Arbeitsschritte im Produktionsablauf seines Betriebes „Staat“ genau zu beobachten. Um sich der Bereitschaft der Mitarbeiter zu versichern, sich für Erfolgschancen und Gewinnmaximierung der Firma auch außerhalb des zugeteilten Aufgabenbereichs aktiv einzusetzen, wird sich der Bürger als Chef seines Unternehmens persönlich um beste interne materielle, möglichst individuelle Arbeitsbedingungen bemühen und sich extern für förderliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen engagieren. Im Interesse des Betriebsfriedens und der reibungslosen, kollegialen Zusammenarbeit ist es beispielsweise durchaus sinnvoll, sich auf gemeinsame Regeln zu einigen. Selbst wenn Verbote tatsächlich ihre abschreckende Wirkung verfehlen würden, lassen sich aus diesen Vorschriften jedoch Empfehlungen ableiten, wie jeder einzelne weitgehend konfliktfrei mit anderen zusammenleben und -arbeiten kann.

Selbstverständlich ahndet die Unternehmensleitung Ordnungswidrigkeiten, missbilligt Mobbing und „kriminalisiert“ schwere Verstöße wie Diebstahl von Firmeneigentum, rassistische Beleidigungen von Kollegen und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Den Tätern verdeutlichen wir beispielsweise durch Personalgespräche, Abmahnung, Kündigung und nötigenfalls Strafanzeige, dass sie gegen demokratisch vereinbarte Abmachungen verstoßen haben, die den Betriebsfrieden gefährden und eine reibungslose Zusammenarbeit erschweren. Es gilt jedoch das Übermaßverbot, sogar Straftäter werden resozialisiert und erhalten eine zweite Chance.

Wie alle erfolgsorientierten Firmenchefs werden die Bürger als Arbeitgeber des Staates Qualitätszirkel (Arbeitskreise, Ausschüsse) einrichten, in denen die Mitarbeiter (Politiker, Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst) Verbesserungsvorschläge besprechen können. Die werden dann geprüft, demokratisch abgestimmt und entsprechend umgesetzt, noch einmal überdacht oder eben verworfen. Ein Chef, der sich aber nur auf gute Zusammenarbeit, Innovation und Kompetenz seiner Mitarbeiter in den verschiedenen Produktionsabteilungen und Arbeitskreisen verlässt, wird mit seinem Betrieb bald Konkurs anmelden und das Insolvenzverfahren einleiten müssen. Der „Firmenleiter“, in unserem Beispiel das Volk, muss Eigeninitiative ergreifen und sich bei kritischen Situationen lenkend einschalten. Er ist gut beraten, das Subsidiaritätsprinzip beachtend, sich dazu aller rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mittel zu bedienen. Sind alle niederschwelligen Möglichkeiten ausgeschöpft, muss er die „Abteilung Entwicklung“, in unserem Beispiel die Legislative damit beauftragen, nach einer mehrheitsfähigen Lösung des Problems zu suchen.

Jeder Bürger ist somit persönlich für das Gütesiegel seines Firmenerzeugnisses „Demokratie“ mitverantwortlich. In den Händen jedes Einzelnen liegt die Fürsorgepflicht für seine Familie, für Nachbarschaft und soziales Umfeld (Stichwort unterlassene Hilfeleistung) sowie für die Selbstvorsorge. Unsere Umwelt- und Lebensbedingungen gestalten nicht König, Gottheit oder Schicksal, sondern wir Staatsbürger.

Nun stellt sich die politische Situation der Bundesrepublik folgendermaßen dar:

Nachweislich ist es uns nicht gelungen, endlich auch die muslimisch sozialisierte allochthone Bevölkerung zu bestärken, an möglichst vielen Angeboten der beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Selbstverwirklichung teilzunehmen. Die Bundesregierung hat ihr Ziel die Arbeitslosenquote in dieser Bevölkerungsgruppe zu senken trotz geförderter Sprachangebote, Orientierungskurse und sonstiger Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene und junge Menschen nicht erreicht. Sozialpädagogische Dienstleistungsangebote wie Erziehungs- und Familienberatung, Jugendgerichtshilfe, frühkindliche Lern- und Sprachförderung sowie berufliche (Wieder )Eingliederung haben nicht dazu beigetragen, die Anzahl der muslimisch sozialisierten Familien, die von finanziellen Unterstützungsleistungen des Staates abhängig ist, zu verringern. Selbst eigene Organisationen wie beispielsweise der türkische Elternverein, muttersprachige Integrationslotsen [1] oder die in den Kommunalverwaltungen ansässigen Integrationsräte (Ausländerbeirate) haben nicht verhindern können oder wollen, dass sich Gegengesellschaften mit mehr oder weniger autarken Substrukturen etabliert haben, in denen eigene Gesetze, nämlich Koran, Sunna und Scharia gelten.

Gründe

Kulturrelativistisches Gutmenschentum, entgrenzte Toleranz und Dialogbereitschaft um jeden Preis, auch mit als radikal und extremistisch bekannten Gesprächspartnern haben nachweislich leider nur den Einfluss und die Macht von verfassungsfeindlichen, islamistischen Verbänden und Organisationen gestärkt, die sich die Deutungshoheit über Islam, Integration und demokratische Prinzipien anmaßen. Durch diese Diskussionsforen, Dialogveranstaltungen und nicht zuletzt durch die Deutsche Islamkonferenz aufgewertet, werden Fundamentalisten nicht müde, Grundrechte à la carte für Muslime einzufordern, um die Demokratie legalistisch auszuhöhlen. Gemeinsam mit dienstbeflissenen Prominenten aus Forschung, Bildungspolitik und Kirche hat ihre harte Agitation wesentlich dazu beigetragen, dass bisher alle Bemühungen gescheitert sind, Einwanderer aus islamischen Herkunftsländern zu motivieren, sich mit der deutschen Wahlheimat zu identifizieren. Hoher Konformitätsdruck, Familialismus, patriarchalische Überwachung, häusliche Gewalt, Bedrohung von Gesundheit und Leben sowie panische Angst vor der Hölle verhindern, aus dem fundamentalistisch islamisch geprägten Familiengefängnis auszubrechen und einen legalen Weg für eine selbstbestimmte, eigenständige Biographie zu wagen.

Ein Großteil dieser in der parallelen Gesellschaft lebenden Bevölkerungsgruppe, teilweise mit deutschem Pass oder in der dritten und vierten Generation in der Bundesrepublik lebend hier geboren und so deutscher Staatbürgerschaft, meidet unnötige Kontakte zur Mehrheitsgesellschaft. Durch islamistische Persönlichkeiten, zu denen sicherlich auch der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan gehört, werden diese orthodox gläubigen Menschen darin bestärkt, sich bewusst abzuschotten und vor allem den Töchtern und Frauen den Umgang mit den Ungläubigen zu untersagen, um nach den islamischen Glaubensregeln in der halbierten Moderne zu leben. Denn auf technische Errungenschaften des 21. Jahrhunderts wie Handy, Computer, Fernsehen und Haushaltsgeräte möchte man ja nicht verzichten. Auch die Segnungen des Sozialstaats nehmen viele ‚Rechtgläubige‘ gerne in Anspruch, ohne jedoch die geringste Bereitschaft zu zeigen, ihrerseits das demokratische Gesellschaftssystem wenigstens durch Loyalität zu unterstützen (SPIEGEL-online am 20.12.2007).

Auswege aus der Sackgasse

Um Ausbau und Festigung islamistischer Gegenwelten in unseren Städten zu verhindern, in denen ziemlich unverhohlen UN Kinderrechtskonvention, universelle Menschenrechte und das Grundgesetz ignoriert und durch Sunna, Koran und Scharia ersetzt werden, gilt es die manipulierende Wirkung allgegenwärtiger islamischer Indoktrination einzudämmen. Auch wenn unsere Forderung nach gänzlich kopftuchfreien Kindergärten und Schulen sowie das Verschleierungsverbot von Kindern unter 14 Jahren in der Öffentlichkeit für außenstehende Gutmenschen ‚hohl‘ ist, ’nicht durchsetzbar‘ erscheint und letztendlich angeblich ‚am Grundgesetz scheitern sollte‘, dürfen wir uns nicht entmutigen lassen, unsere Überzeugungen, die mehr Freiheit, bessere Lebensqualität und die Durchsetzung grundrechtlicher Standards für alle Bürger fordern, in die politische Diskussion einzubringen. Entsolidarisierung durch soziale und rechtliche Double Standards gefährden Freiheit und sozialen Frieden. Rechtsspaltung wäre die Kapitulation der Demokratie vor dem Kalifat.

Die negative Religionsfreiheit ist in der Bundesrepublik ein wichtiges Verfassungsprinzip. Junge Menschen sind auf Grund ihres noch nicht abgeschlossenen, individuellen persönlichen Reifungsprozesses in ihrer seelischen, körperlichen und geistigen Entwicklung naturgemäß beeinflussbar und verletzlich und daher besonders zu schützen. Das Recht auf religiöse Erziehung ihrer Kinder schließt Misshandlung, schwarze Pädagogik, Bedrohung und Freiheitsberaubung durch die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte unbedingt aus. Körperliche und seelische Gesundheit sowie Menschenwürde, unabhängig von Geschlecht oder Religion bzw. Nichtreligion der Eltern, sind unverletzlich. Die gelingende altersgemäße Entwicklung und individuelle Förderung von Mädchen und Jungen (SGB VIII) darf durch das elterliche Verständnis von Sittlichkeit, Tugend und religiöser Pflicht nicht gefährdet werden.

Die staatliche Gemeinschaft, also wir Mitbürger, Jugendamt und Polizei, die laut Grundgesetz Art. 6 GG über das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder unter dem Vorbehalt des Kindeswohls zu erziehen wachen, müssen hier, zunächst beratend, eingreifen. Kinderrechte und negative Religionsfreiheit müssen ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Alle Eltern, die ihre Töchter und Söhne in der Tradition von Humanismus und Aufklärung erziehen und unterrichten lassen wollen und sie deshalb in einem nicht konfessionell gebundenen oder privaten Kindergarten bzw. an einer öffentlichen Schule anmelden, haben das Recht, sich darauf verlassen zu können, dass ihre Kinder während des Aufenthalts in Kindergarten, Schule und bei Schulveranstaltungen keiner weltanschaulichen Propaganda oder politischer Beeinflussung ausgesetzt sind. Der Staat als Garant der Neutralitätspflicht in seinen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen hat die negative Religionsfreiheit für Kindergartenkinder, Schülerinnen und deren Eltern durchzusetzen, notfalls gegen den Willen der Pädagogen [2] und Erziehungsberechtigten. Wie ihre Kollegen sind Lehrerinnen und Erzieherinnen sehr wichtige, prägende und beispielgebende Bezugspersonen. Aufgrund ihrer Bedeutung für die Bildung, Erziehung und die individuelle Förderung der ihnen anvertrauten jungen Menschen zu demokratischen, selbstbewussten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten, hat die Kleidung von Pädagoginnen und Pädagogen jeden Anschein grundgesetzwidriger, weltanschaulicher und politischer Beeinflussung zu vermeiden. Gesetzliche Bestimmungen zum Kindeswohl betonen das Recht jedes einzelnen Kindes auf von der Religion, Ethnie, und dem Geschlecht unabhängige gleichberechtigte Erziehung und Förderung. (Art. 3, die aus Art. 4 abgeleitete negative Religionsfreiheit, Art. 6 GG; SGB VIII § 1) Das Recht auf Religionsfreiheit der Beamtinnen und städtischen Angestellten, sowie das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder ist hier einzugrenzen (Dienstrecht in öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen).

Das Kinderkopftuch, das neuerdings sogar in Kindergärten und Grundschulen immer häufiger zu sehen ist, steht für einen besonders fundamentalistischen Polit-Islam, der wegen seiner geschlechtsspezifischen Sozialisations- und Erziehungsprinzipien vor allem kleine Mädchen eine ihrer ganzheitlichen, individuellen Entwicklung förderliche, unbeschwerte Kindheit vorenthält und sie zu bloßen Sexualobjekten herabwürdigt. Kleinkinder, Schülerinnen und Schüler sind daher vor jeglichem religiösen, weltanschaulichem und politischem Fundamentalismus besonders zu schützen. Sie können sich der Wirkung und Beeinflussung durch das „Schamtuch[3]“ (Feridun Zaimoglu) der Erzieherin und Lehrerin ebenso wenig entziehen, wie sie dem Habitus des Kinderhidschab ausweichen können.

Diesen schon sehr früh orthodoxen und patriarchalischen Verhaltensmustern ausgesetzten jungen Menschen bieten gänzlich kopftuchfreie Erziehungs- und Bildungseinrichtungen einen Schutzraum vor schariatischen Wohlverhaltenszwängen, Gender-Apartheid und Überwachung durch Pädagogen. Solche Einrichtungen bieten den unter sechsjährigen Kindern sowie Schülern unabhängig von der elterlichen Religion oder Nichtreligion ideale Lern- und Experimentierfelder des Erarbeitens von Gender-Rollen und Handlungsspielräumen. Klein- und Schulkinder können hier nicht für die Muslimisierung „ungläubiger“, nicht religiöser oder säkularer Spiel- und Klassenkameraden benutzt werden, ohne die Folgen erkennen und einschätzen zu können. Hidschabfreie Erziehungs- und Bildungseinrichtungen bewahren nicht religionsmündige Kinder sowie mit ihrer Persönlichkeitsentwicklung völlig ausgelastete Jugendliche und Heranwachsende davor, unfreiwillig oder ohne es zu wissen für muslimisches Umweltverändern eingesetzt zu werden.

Auch Pädagoginnen dürfen sich freier bewegen ohne durch die mnemotechnische Stütze des Schleiers ständig gegängelt zu werden. Der Hidschab wirkt wie eine ständig präsente Gedächtnisstütze, die seine Trägerin permanent zu rigider Selbstkontrolle zwingt und das muslimische Umfeld ständig dazu ermahnt, seiner Kontroll- und Überwachungsfunktion nachzukommen. Selbst Nichtmuslime werden durch das nicht zu übersehende Symbol aufgefordert, das verschleierte Gegenüber zu entpersonalisieren, ihm seine Einzigartigkeit und Selbstbestimmtheit zu nehmen, um es einem religiösen Kollektiv und dessen Regeln zu „inkludieren“ sprich unterzuordnen. Diese Mädchen und Frauen nehmen wir eben nicht als Düsseldorferin, Kölnerin, Kollegin, Schwester, Tochter, Mutter oder einfach Sevim wahr, sie sind in erster Linie als Muslima erkennbar. Ein Verbot des Kinderkopftuchs in der Öffentlichkeit für Kinder bis 14 Jahren sowie gänzlich kopftuchfreie staatliche Kindergärten und Schulen sind daher eine Notwendigkeit.

Soziale Arbeit gliedert sich in mehrere Dimensionen. Zu den gesellschaftlichen Aufgaben staatlich anerkannter Sozialarbeiter und Sozialpädagogen gehört es, in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Soziologen, Sozialwissenschaftlern und Politologen gesellschaftliche Missstände und soziale Schieflagen aufzuzeigen, zu beschreiben, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu entwickeln, die möglicherweise darin bestehen, den Gesetzgeber dazu aufzufordern, den durch gesellschaftlichen und sozialen Wandel jeweils neu entstandenen Regulationsbedarf durch neue Gesetze oder Gesetzesreformen abzudecken. Rahmenbedingungen für diese Initiativen sind Grundgesetz und universelle Menschenrechte.

Zur klassischen Sozialarbeit gehört seit ungefähr vier Jahrzehnten auch die Migrations- und Integrationsberatung. In diesem wichtigen Arbeitsfeld sind wir tätig. Unser Ziel ist es, Einwanderer zu ermutigen und zu unterstützen, hier in Deutschland Fuß zu fassen, Kontakte auch außerhalb der Familie zu knüpfen, sich die Freunde selbst zu suchen, die deutsche Sprache zu erlernen, einen qualifizierten Schulabschluss anzustreben und beruflich wie privat eigene, den individuellen Vorstellungen und Fähigkeiten entsprechende Wege zu gehen. Um es mit einem Fachbegriff zusammenfassend zu beschreiben: Ein wichtiges Ziel in der Sozialen Arbeit ist das Empowerment der Klienten. Loyalitätskonflikte mit der Familie lassen sich dabei nicht immer vermeiden, sie unterstützen die Persönlichkeitsentwicklung. Für Mitarbeiter gilt der Grundsatz: Individualisierung vor kollektivistischem Familialismus. Die Emanzipations- und Integrationsbemühungen der nach Selbstbestimmung und Freiheit strebenden Adressaten sind parteiisch zu fördern. Daher gilt es, Ratsuchende darin zu unterstützen, Konfliktfähigkeit zu entwickeln, Disharmonie und Ambiguität aushalten zu lernen, eigene Stärken (wieder) zu entdecken, Ichstärke auf- und auszubauen sowie die eigenen Befindlichkeiten, Gefühle, Wünsche und Interessen wahrzunehmen, zuzulassen und konsequent umzusetzen, Selbstbehauptung zu erlernen. Für das erfolgreiche Entwickeln einer demokratischen Persönlichkeit sind die von Ihnen beschworene ’Leidensfähigkeit’ und das ’Aushalten von Ungerechtigkeit’ als kontraproduktiv anzusehen und als grundsätzlich abzulehnen. Muslimisch sozialisierte Menschen haben die gleichen rechte, auch für sie gelten die von den universellen Menschenrechten abgeleiteten Konventionen und Gesetze.

Als Psychologe dürften Ihnen die traumatiserenden und die Persönlichkeit verzerrenden Folgen einer gewalttätigen Erziehung und ’schwarzer Pädagogik‘ bekannt sein. Auch Kinder haben das Recht auf gewaltfreie und damit eben auch auf fundamentalismusfreie Bedingungen des körperlichen und seelischen Wachsens. Diese Voraussetzungen haben wir Erwachsenen zu schaffen.

Ümmühan Karagözlü


[1] http://www.duisburg.de/vv/ob_5/lotsen.php

[2] http://www.agpf.de/akt88-3.htm#ROT-VERBOT

[3]http://de.wikipedia.org/wiki/Feridun_Zaimo%C4%9Flu

Mina Ahadi, eine starke Persönlichkeit

Dezember 13, 2007


Erster Dezember, Universität Köln: Mina Ahadi

vom Zentralrat der Ex‑Muslime fordert

die kopftuchfreie Schule. Vorab

eine Begegnung auf der

Hinfahrt nach Köln

Mina

Ahadi

Karagözlü:

Mina Ahadi, Ralph Giordano und Günter Wallraff gestalteten eine spannende Podiumsdiskussion, Michael Schmidt‑Salomon moderierte gekonnt. Am selben Tage hatte ich ein besonderes Erlebnis: Ich traf eine Frau mit Burka, die sich bemühte, mit einem eilig kurz vor ihr gehenden Mann, vielleicht ihr Ehemann, Schritt zu halten. Dieser, vielleicht ägyptischer oder syrischer Herkunft, war mit einer weißen, ’westlichen’ Hose gekleidet, über die ein weißgrauer, längsgestreifter, wadenlanger Kaftan oder Kittel fiel, auf seinem Kopf befand sich ein schneeweißer samtener Kaffeewärmer, pardon, eine fromme Kappe. Der Mann glich damit einer Mischung aus Chirurg, Panzerknacker und Bäckermeister. Die Frau aber trug ihre rabenschwarze Burka, und allein das, weiß gegen schwarz, wird so manchen zum Hinsehen genötigt haben. Es ist, vorläufig, die erste Burka in der Stadt. Doch wie lange noch? Die Burka hatte kein Gesicht, sondern, von der sozialen Außenwelt zur Frau hin, ein blickdichtes Stoffgitter. Schwarzes Fliegengitter statt Gesicht! Aus dem Stoffgefängnis jedoch ertönte es in glasklarem Deutsch: “Nicht so schnell, nicht so schnell, ich komm` nicht mit!“ Ich muss gestehen, da ’kam ich auch nicht mit’, wie man so sagt. Die Frau unter der Burka scheint eine Konvertitin zu sein.

Auvergne:

Vielleicht haben wir die Gelegenheit, den Fall am Ort und in den nächsten Monaten zu verfolgen. Das technisch eingefangene, sexuell eroberte und kulturell islamisierte Weibchen stammt aus der niederen Kaste der christlichen Dhimmis?

Karagözlü:

So könnte ein Scharia‑Befürworter es formulieren. Durch dieses erschreckende Erlebnis aufgewühlt, achtete ich in den folgenden Stunden auf die Kleiderordnung der Passantinnen und Passanten der durchquerten rheinischen Städte. Auffällig war, dass im Laufe des Nachmittags die Zahl der Kopftücher abnahm.

Auvergne:

Der Kopftuch‑Quotient pro Stunde in freier Wildbahn schien zu sinken? Die Hijabfrauen dürfen gegen Abend nicht mehr vor die Türe?

Karagözlü:

Offensichtlich hat eine ehrbare Muslima ab einer bestimmten Uhrzeit in der städtischen Öffentlichkeit nicht mehr in Erscheinung zu treten. Nun, sie wird den Einkauf erledigt haben.

Auvergne:

Und flanieren darf sie nicht.

Karagözlü:

Der Einkauf war ihr Alibi. Jetzt aber gehört sie ins Haus und gehört die Innenstadt den Ureinwohnern. Die älteren türkischen Männer besuchen kurz die Teestube und kehren dann nach Hause zurück. Spätabends gehen dann allerdings die ganz jungen türkischen Männer auf die Straße, so ab 14 Jahren aufwärts, da stehen diese Burschen den deutschen Altersgenossen in nichts nach.

Auvergne:

Klingt doch integriert, diese letzte Feststellung.

Karagözlü:

Ja, wenn die muslimischen Mädchen dabei wären! Die jedoch dürfen das Haus abends gar nicht mehr verlassen. Auch hier scheint sich etwas geändert zu haben, noch vor einigen Jahren konnten muslimische Mädchen, wenn auch nur in Begleitung ihrer Brüder, in Diskos gehen.

Auvergne:

… die Familien sind frommer geworden, das heißt …

Karagözlü:

… sie sperren ihre Töchter weg.

Auvergne:

Die Burka ist erschreckend, das sollte in unserer Demokratie nicht gerade Leitmodell für weibliche Kleidung werden. Erstaunlich oder vielleicht sogar kennzeichnend, dass es wahrscheinlich ausgerechnet eine Konvertitin ist, die Burka trägt. Andererseits muss der Mann richtig radikal sein; ich wette, er ist kein Türke.

Ümmühan Karagözlü

& Jacques Auvergne

Im Gespräch über Mina Ahadi

Karagözlü:

Ahadi weist ganz richtig auf das Schubladendenken der Deutschen hin, das die ’Fremden’ ebenso exotisiert und romantisiert wie es sie ausgrenzt. Wenn ich bei einer deutschen Familie eingeladen werde, möchte ich auch gefragt werden, was ich denn trinken möchte. Es kann nicht sein, dass die deutschen Gäste einer deutschen Familie krampfhaft auf ein Glas Wein oder Bier verzichten, nur weil sie mich nicht ’beleidigen’ wollen. Von mir aus können sie sich ein Wildschwein schlachten wie Obelix, solange es ihnen schmeckt und der Hausarzt nichts dagegen hat. Übrigens, vom Rotwein trinke ich gern ein Glas mit.

Auvergne:

Du als Türkin trinkst Wein, tun deine Eltern das auch?

Karagözlü:

Nein, aber ich nehme ihnen das nicht krumm.

Auvergne:

Interessant. Schon Bassam Tibi beschrieb diese Denkfalle der Europäer, die die einwandernden muslimischen Menschen, vorgeblich tolerant und in Wirklichkeit gleichgültig bis arrogant, ’fremd und anders’ lässt, sie dabei zugleich aber nicht wirklich akzeptiert. So konnten die Missstände des Orients, konnten Patriarchat und Theokratie geleugnet werden. Gerade für die ebenso machtbesessenen wie feigen rot‑grünen Funktionsträger der Neunziger Jahre war dies eine glückliche Entlastung.

Ahadi hat ein Tabu öffentlich gebrochen, und das ist ganz neu: Du kannst gerne mit Islam leben oder aber du kannst deinen Islam abstellen. Männer und gelegentlich sogar Frauen, die ’unreligös’ lebten, sind im städtischen Islam aller Zeiten wohl gar nicht so selten gewesen. Sich aber zu seiner Apostasie öffentlich zu bekennen, das hat nur alle hundert Jahre jemand gewagt, und der war sich seines Lebens nicht mehr sicher. Denn der Apostat darf getötet werden, jeder fromme Muslim darf dieses Hadd‑Vergehen, diese ’Grenzverletzung Gottes’ rächen und den Abweichler ermorden.

Karagözlü:

Du hast richtig festgestellt, dass die Großfamilie ein islamischer Mikrokosmos ist, eine Art ’Umma im Kleinen’, und dass ein Verweigern der ungeschriebenen Familienregeln als Apostasie gefühlt wird. Das hat in den so genannten Ehrenmordmilieus entsprechende Folgen. Das Beleidigen der Familie ist identisch mit dem Beleidigen Gottes. Der Einzelne gilt nichts.

Mit den Ergebnissen der Totalitarismusforschung ließe sich sagen: Faschismus ist der Rückfall in die Vormoderne.

Auvergne:

Die Vormoderne denkt kollektivistisch, die kulturelle Moderne individualistisch. Da ist es ein Ärgernis, dass Islamkritik in Europa leider gerade auch von vormodern argumentierenden Leuten geäußert wird, die uns dann nämlich deutschnationales Kollektiv oder evangelikales Gottesgesetz als ’Gegengift’ gegen die zu Recht angeprangerte Gefahr der schleichenden Islamisierung Europas empfehlen. Ahadi betont dem gegenüber ganz angemessen die Universalität der Menschenrechte.

Karagözlü:

Doch das Grundgesetz endet nicht vor der Haustüre! Die Kinder zu schlagen, wie in türkischen Familien üblich, oder korangemäß die Ehefrau zu schlagen, muss von der Demokratie als Straftat geahndet werden.

Auvergne:

Demokratie statt Theokratie …

Karagözlü:

… mit Ahadi bezeichnet endlich jemand öffentlich das Kinderkopftuch als eine Kinderrechtsverletzung, ermutigend, wie sie Kinderrechte endlich im Grundgesetz verankert sehen will! Wir haben ein Tierschutzgesetz, aber kein Kinderschutzgesetz.

Auvergne:

Auch die medizinisch nicht absolut indizierte so genannte Beschneidung an Jungen sehe ich als Kindesmissbrauch an sowie als Verstoß gegen das Gebot der körperlichen Unversehrtheit. Dem Recht der Eltern auf religiöse und kulturelle Erziehung müssen hier klare Grenzen gesetzt werden. Ayaan Hirsi Ali hat diese Forderung des Verbots der MGM, der männlichen Genitalverstümmelung einmal öffentlich vertreten, leider ist sie aber seit ihrem Aufenthalt in den USA von dieser Meinung zurück getreten.

Karagözlü:

Teil einer global denkenden Islamkritik muss immer auch FGM sein, die Praxis der Genitalverstümmelung an Mädchen. Da haben sich Frauen wie Waris Dirie und Hirsi Ali couragiert eingesetzt. In Ägypten etwa wird die Mehrheit der Mädchen genitalverstümmelt und wir Europäer fahren da unwissend beziehungsweise gleichgültig in den Urlaub hin.

Auvergne:

Ägypten praktiziert Klidoridektomie. Doch ist das denn nicht ein sorgsam gehütetes Geheimnis: FGM geschieht zwar in jedem ägyptischen Haus, wird Nichtägyptern gegenüber aber verschwiegen?

Karagözlü:

Das kann man so nicht mehr sagen. Und was Somalia betrifft, weiß man seit dem zweiten Buch von Waris Dirie, dass sogar hier in Europa Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt worden sind und immer noch werden.

Auvergne:

Ahadi nennt den Islam eine frauenfeindliche Religion und möchte brutale, frauenfeindliche Traditionen oder Dogmen nicht länger als ’heilig’ bezeichnet wissen. Nur der Mensch sei heilig.

Karagözlü:

Der Wert eines Mädchens, der Wert einer Frau hängt weder von ihrer Mitgift ab noch von ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Jungfräulichkeit. Keine Religion ist hierbei jedoch so brutal wie der Islam, der dafür sogar manchmal töten lässt.

Auvergne:

Das ist eine Obszönität, dieser religiöse Kult um das islamische ’heilige Jungfernhäutchen’, ein schreckensreiches mentales Gefängnis, mit dem neuerdings Europas Schönheits‑Chirurgen viel Geld zu verdienen beginnen: Restaurierte Jungfräulichkeit ist 2007 zum bundesdeutschen Produkt geworden. Den Mädchen aus jenen Milieus wird ein Recht auf eine Intimität, auf selbst bestimmte Sexualität vorenthalten bleiben. Diese Form von Islam ist eine durch und durch neurotische, eine obszöne Religion.

Karagözlü:

Islamkritik ist in der Tat gefährlich, und Ahadi fordert uns Demokratinnen und Demokraten dazu auf, gegen diesen gewaltigsten Totalitarismus des 21. Jahrhunderts Farbe zu bekennen, um die kulturelle Moderne zu retten, das heißt: um unsere Bürgerrechte und unsere Meinungsfreiheit zu retten.

Auvergne:

Wir dürfen in den nächsten zwei Jahrzehnten nicht den Fehler machen, den islamischen Verbänden, Gemeinschaften oder demnächst wohl Parteien eine humanistisch‑aufklärerische oder auch nur eine demokratieliebende Haltung zu unterstellen. Diese islamischen Kollektive wollen nichts als die Zerstörung der Demokratie – mit den Mitteln eben dieser Demokratie! So funktioniert Legalismus. 1933 hat Ähnliches schon einmal so begonnen: die NSDAP wurde gewählt, ganz demokratisch. Nachher gab es keine Wahlen mehr. Man hätte es lesen können.

Wir werden die Gründung von islamischen Parteien vielleicht gar nicht mehr verhindern können. Islamisch inspirierte Kriminalität, nicht zuletzt Wirtschaftskriminalität wird unsere Städte auf einige Jahrzehnte ebenso bestimmen wie die drei Formen des Innenstadt‑Dschihad, sprich: Mobbing, Erpressung und Korruption. Gegenwärtig steuern Mailand, Lyon, Paris, Brüssel und London auf die Lebenswirklichkeit von Beirut oder Kairo zu. Wer etwas anderes vermutet, der träumt oder lügt. Cousinenehen und Kinderheirat finden in Deutschland nahezu ungestört statt, arrangierte Ehen sind in der türkisch‑muslimischen Community ohnehin immer häufig gewesen.

Karagözlü:

Die EU und Deutschland haben Angst vor wirtschaftlichen Einbußen. Nur deshalb sind sie für den völlig verantwortungslosen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Die Vollmitgliedschaft darf nicht länger angeboten werden.

Auvergne:

Das sehe ich genau so, alle Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollten wir Europäer sofort und ohne Begründung abbrechen, zumal die europäische wie deutsche Öffentlichkeit seit Jahren falsch informiert wird …

Karagözlü:

… ja. Und Erdoğan und seine AKP betreiben seit Jahren eine dynamische Islamisierung des Landes: sie steuern Kleinasien, so sagen mahnende Stimmen mit Berechtigung, auf einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu! Mit dem derzeitigen Islam ist keine Demokratie aufzubauen, was im Übrigen die Herren Gül und Erdoğan ganz genau wissen. Die AKP wird, ganz im Einklang mit der Scharia, die Frauenrechte einschränken! Das Wort ’Schutz‑Status’ ist bereits gefallen, was wir nicht für Gleichheitsfeminismus halten dürfen: Behinderte, Alte, Kinder und Frauen seien unter besonderen Schutz zu stellen. Damit fällt, was man auf den ersten Blick übersehen könnte, der erst vor drei Jahren durchgesetzte Gleichheitsgrundsatz unter den Tisch!

Auvergne:

Mina Ahadi erkennt die ja gerade auch von Islamist Erdoğan voran getriebene Verschleierung von Mädchen als Kinderrechtsverletzung, als Kindesmissbrauch. Ihre Worte und ihre Haltung geben mir Hoffnung. Vielleicht gelingt es uns doch noch, das Lehrerinnenkopftuch aus Deutschlands Klassenzimmern heraus zu halten.

Karagözlü:

Bitte nicht nur das Lehrerinnenkopftuch! Zumal Ahadi ja gerade die Mädchen, unsere Schülerinnen also, vom ungeheuren moralischen und sozialen Druck, der von dem ausgeht, was du so richtig als ’Kopftuchmobbing’ bezeichnet hast, entlastet sehen möchte.

Aber ’Schule’ reicht mir nicht, es muss die gesamte Erziehungs- und Bildungslandschaft sein, vom Kindergarten bis zur Universität, dazu der Raum der Rechtssprechung: Richterinnen, Rechtsanwältinnen und Schöffinnen. Gericht muss kopftuchfreie Zone sein! Das gilt auch für`s Klientel, also: für Zeuginnen, Beobachterinnen und Besucherinnen.

Auvergne:

Das überzeugt mich. Vielen Dank für dieses Gespräch.