مینا احدی
Mina Ahadi
Zur aktuellen Repressionspolitik der iranischen Gottesdiktatur
Nicht menschenrechtliche Gegenwehr, sondern „respektvoller Dialog“ und diplomatische Aufwertung des staatsislamistischen Terrorregimes sind das Problem. Von Mina Ahadi
Geboren aus dem Geist einer strengen Islamauslegung schiitischer Prägung verkörpert die „Islamische Republik Iran“ seit nunmehr 31 Jahren ein totalitäres Herrschaftssystem, dessen Führer sich als göttlich legitimiert ansehen. Meinungs-, Koalitions- und Versammlungsfreiheit sind in dieser theokratischen Diktatur ebenso wenig vorgesehen wie individuelle Grundrechte. Die Menschenrechte – nach Khomeini säkulares Teufelswerk – werden systematisch und fortlaufend mit Füßen getreten. Unverzichtbare Ausübungselemente dieser Gottesdiktatur sind ein Netzwerk aus Repressionsapparaten und sittenterroristischen Verbänden, eine barbarische Strafjustiz sowie eine religiöse Gleichschaltungsideologie.
Der bestimmende Leitsatz dieses staatsislamistischen Herrschaftssystems kommt in der folgenden Fatwa Khomeinis zum Ausdruck: „Mitleid mit den Feinden des Islams ist Naivität. Die Entschlossenheit des Islams gegenüber den Feinden Gottes gehört zu den unverrückbaren Prinzipien der islamischen Ordnung. Ich hoffe, dass dies – begleitet vom revolutionären Zorn und Hass auf die Feinde des Islams – den Gefallen Gottes, des Erhabenen, findet“.
Damit setzt sich die totalitäre Herrschaft der von Gott designierten Religionsgelehrten als eine absolute und geheiligte Gewaltherrschaft gegenüber allen ungehorsamen und unangepassten Kräften. Ihre göttlich bestimmte Aufgabe ist es, den individuell-menschlichen Drang nach Freiheit, Selbstbestimmung und Entfaltung mit allen Mitteln zu brechen und die Unterworfenen in die Bahnen der koranisch angewiesenen Gottesknechtschaft und Autoritätshörigkeit zurückzulenken. Ein Zuwiderhandeln gegen die islamische (Selbst-)Herrschaft der religiösen Führer wird demzufolge als Aufstand gegen Gott angesehen.
Eine so gewirkte, sich als göttlich legitimiert ansehende und auf islamischer Grundlage ins Recht gesetzte Diktatur lässt „auf freiwilliger Basis“ weder kritische Infragestellung noch gleichberechtigten Dialog und sachlich-faire Verhandlungsführung mit Anders- und Ungläubigen auf Augenhöhe zu. So war es auch nicht verwunderlich, dass die islamistischen Herrschaftsträger auf die Politik der ausgestreckten Hand des mittlerweile nachhaltig entzauberten „Rockstars“ Barack Obama folgendermaßen reagierten : Zum einen düpierten sie Obamas Annäherungsversuch mit der feierlichen Einweihung einer neuen Atomanlage in Isfahan, mit der nun der vollständige Prozess zur Herstellung von nuklearem Brennstoff abgeschlossen ist. Zum anderen wurde die Aufwertung der iranischen Gottesdiktatur zu einem „Gesprächspartner auf Augenhöhe“ von den Teheraner Islamisten sofort dahingehend missbraucht, die Repression im Inneren zu verstärken und die barbarischen islamischen Gottesgesetze noch ungezügelter anzuwenden. Infolge der großen Massenproteste anlässlich der gefälschten Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 wurde die massive Unterdrückungspolitik noch einmal systematisch verstärkt.
Die Politik des „kritischen Dialogs“ und der „Beschwichtigung“ gegenüber der totalitären Gottesdiktatur ist kläglich gescheitert. Mittlerweile weist der Iran weltweit die höchste Rate an Hinrichtungen im Verhältnis zur Bevölkerung auf. Zudem werden im Iran weltweit am meisten Jugendliche hingerichtet. Seit Obamas aufwertendem Gesprächsangebot geht das Regime noch aggressiver gegen Frauen und oppositionelle Werktätige vor und sieht sich durch die erlangte internationale Salonfähigkeit dazu beflügelt, bislang aufgeschobene Hinrichtungen nun zu vollstrecken.
Erst aufgrund internationalen Drucks in Form einer weltweiten Solidaritätskampagne konnte die Vollstreckung der Steinigung von Sakineh Ashtiani bislang verhindert werden. Das Urteil wurde in Tod durch den Strang umgewandelt. Allerdings darf man diese Umwandlung nicht etwa als Indiz für eine angebliche „Humanisierung“ des staatsislamistischen Regimes ansehen, wie es einige Exiliraner behaupten, in deren Reihen ich nach Aussage der voreingenommenen Tochter von Bahman Nirumand, Mariam Lau, „nicht besonders gelitten“ bin. Diese Gruppe hatte und hat sich in das verfehlte Dogma der Beschwichtigungspolitik verrannt und ist offenkundig darum bemüht, die offensive menschenrechtliche Praxis, d. h. den konkreten Einsatz für Leib und Leben der vom iranischen Staatsterrorismus bedrohten Menschen, in Misskredit zu bringen. Auf diese Weise soll nicht zuletzt auch vom Bankrott der verfehlten Appeasement-Politik abgelenkt werden. Ganz auf der Linie des islamistischen Terror- und Folterregimes fragt Mariam Lau in hinterhältiger Manier: „Hat sie (Mina Ahadi), so lautet ein oft geäußerter Verdacht, den Sohn Sakineh Ashtianis und die beiden ahnungslosen Journalisten in die Falle der Mullahs tappen lassen, um so ein Exempel zu statuieren?“ Tatsache ist, dass ich nur einen der beiden Journalisten kannte, die nun im Iran inhaftiert sind und im iranischen Fernsehen zu manipulierten „Geständnisse“ gezwungen wurden. Diesem gegenüber hatte ich unmissverständlich erklärt: „Wenn Sie ohne Journalistenvisum einreisen, müssen Sie mit fünf bis sechs Monaten Gefängnis rechnen.“ Wie ich bereits gegenüber der TAZ erklärte habe, bewerte ich die konstruierten Aussagen der Journalisten folgendermaßen: Der Iran ist eine islamische Diktatur, und immer wieder werden Menschen über Wochen hinweg inhaftiert und gefoltert. Deswegen glaube ich nicht, dass diese Aussagen freiwillig gemacht wurden. Die beiden Journalisten stehen unter Druck, sie sind Geiseln eines faschistischen Regimes. Ich bin überhaupt nicht beleidigt über das, was sie gesagt haben.
Doch der Fraktion hinter Mariam Lau geht es gar nicht um die Aufdeckung der realen Sachverhalte, sondern um etwas anderes: Gezieltes menschenrechtliches Engagement, wie es vom Internationalen Komitee gegen Steinigung und dem Zentralrat der Ex-Muslime praktiziert wird, soll in Zwielicht gerückt werden. Damit betreibt diese Gruppe ein Geschäft, dass ganz im Sinne des staatsislamistischen Systems liegt: Lasst Euch nicht mit Mina Ahadi und ihren Mitstreitern ein. Denn, so lautet die angst-politische Botschaft von Mariam Lau:
Wer sich mit Mina Ahadi einlässt, der bekommt es mit der iranischen (Terror-)Justiz zu tun.
Dessen ungeachtet gilt es festzuhalten, dass die Inhaftierung der beiden Journalisten sowie die Inhaftierung von Sadschad Ghaderzadeh, dem Sohn von Sakineh Ashtiani, und dem Rechtsanwalt Houtan Kian einen erneuten Akt der menschenrechtswidrigen Praxis des staatsislamistischen Unrechtsregimes darstellt. Die Gefangenen werden als Geiseln benutzt, um die westlichen Regierungen, insbesondere die deutsche Regierung, von weiteren Sanktionsmaßnahmen abzuhalten und eine „weiche Linie“ zu erpressen. Demgegenüber fordere ich die sofortige Freilassung der unrechtmäßig Gefangenen und appelliere an die deutsche Öffentlichkeit, den barbarischen Anachronismus der iranischen Gottesdiktatur zukünftig noch stärker in den Blickpunkt zu rücken.
Mina Ahadi
Zum Weiterlesen:
»Sajjad Ghaderzadeh and Houtan Kian have been arrested«, auf: »The International Committee Against Execution«
http://notonemoreexecution.org/2010/10/11/sajjad-ghaderzadeh-and-houtan-kian-have-been-arrested/
WELT-online schreibt am 03.09.2010 unter »Ashtianis Sohn fleht Weltgemeinschaft um Hilfe an« – „Der Sohn der von der Steinigung bedrohten Iranerin Sakine Mohammadi Ashtiani hat die internationale Gemeinschaft erneut aufgefordert, weiterhin Druck auf den Iran auszuüben. „Ich bitte Sie, lassen Sie nicht nach“, sagte Sajjad Ghaderzadeh in einem Interview mit der französischen Tageszeitung „Libération“ vom Freitag. „Wenn Sie nicht da gewesen wären, wäre meine Mutter bereits tot.“ … Iranischen Angaben zufolge wurde die Frau wegen Ehebruchs und Verwicklung in den „Mord“ an ihrem Ehemann verurteilt. Das Urteil soll durch Steinigung vollstreckt werden und hatte international für Empörung gesorgt. Die iranische Führung hatte die Vollstreckung des Todesurteils im Juli vorerst ausgesetzt.“
Foto: Sajjad Ghaderzadeh, Rechtsanwalt Houtan Kian. Danke an das International Committee against Stoning für das wichtige Foto, das die Weltöffentlichkeit auf die Menschenrechtslage im Iran lenkt. Das Foto findet sich auch bei »mission free iran«.
http://missionfreeiran.files.wordpress.com/2010/09/sajjad-houtan.jpg
»mission free iran«
WELT-online titelt am 11.08.2010 »Bei Steinigungen wird jeder zum Komplizen«. Mina Ahadi: „Aber die Steinigung ist nur vorläufig gestoppt. Das Urteil könnte auch in Tod durch Erhängen umgewandelt werden. Vergangene Woche ist der Anwalt von Frau Ashtiani zum Obersten Gericht in Teheran bestellt worden, wo ihm mitgeteilt wurde, dass man keinen Grund sehe, das Todesurteil zurückzunehmen. … Die Wiedereinführung der Steinigung gehört zum modernen Islamismus.“
http://www.welt.de/politik/ausland/article8928105/Bei-Steinigungen-wird-jeder-zum-Komplizen.html
hpd (humanistischer pressedienst) – »Fragen an Mina Ahadi«. Das Interview führte Fiona Lorenz.
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