Islam und Schirk

شرك

Schirk, Beigesellung.

Schirk,

Phobie und Doktrin

Dinge zu verehren ermöglicht

etwas über Dinge zu lernen

Seitenblick unerwünscht:

Zieloptik schafft Tunnelblick

Ein Essay von Jacques Auvergne

Schirk heißt Beigesellung und bezeichnet ein Lebensgefühl der Sorge mancher islamisch geprägter Menschen, neben dem einen Gott Allah einem anderen Ding Verehrung zukommen zu lassen. Ursprünglich war die Abkehr aus dem altarabischen Polytheismus gemeint, die Mohammed mit seinem heute weltbekannten politischen Konzept des Islams zunächst für die arabischen Stämme durchsetzte. Ich glaube wahrzunehmen, dass ein falsches oder auch konsequentes Verständnis von Schirk sowohl in den demokratiegefährdenden islamischen Radikalismus führen kann als es auch ein unbefangenes Lernen und Nachdenken über sich und die Welt nachhaltig zu verhindern vermag.

Ein Muslim sagt mir heute, dass er die Demokratie niemals aus vollem Herzen respektieren könne, da er sonst einen Gegenstand neben Allah stellen würde, was islamisch verboten sei. „Die Demokratie ehren, wäre Schirk betreiben?“, frage ich. Er bejaht, sichtlich zufrieden, verstanden worden zu sein.

Damit kommt aber ein Problem auf Europa zu. Bislang hatte ich gedacht, dass es eher die phantasierte „ideale, perfekte“ Gesellschaft des Kalifats sei, die ein gefährliches Ironisieren der parlamentarischen Demokratie, der Pressefreiheit und der säkularen Demokratie nach sich ziehen würde, von den aus doch wohl mehreren Gründen entstandenen ärgerlichen islamischen Parallelgesellschaften Europas einmal abgesehen.

Nun aber diese Art von Motivation: dezidierte Gesetzestreue gliche schon fast einem Götzendienst. Können Muslime von (nichtmuslimischen) Menschen gemachte Gesetze aus Überzeugung achten? Oder werden sie jeden demokratischen Prozess als letztlich gotteslästerlich zu betrachten verführbar sein? Wir dürfen vermuten, dass diese Erpressbarkeit eines jedes muslimischen Menschen längst von Radikalen und im großen Stil ausgenutzt wird, um gegen das Menschenwerk Demokratie „immun zu machen.“ Dem aber darf eine Demokratie nicht unwidersprochen zusehen.

Ein wo auch immer schuldhaft geduldeter Schirk macht dem othodoxen oder islamistischen Muslim höllische Angst. Zugleich ist das Fürwahrhalten der Konzeption Schirk dem orthodoxen wie islamistischen Muslim vorgeschrieben. Wo aber finden sich Strukturen, an denen sich diese Phobie und Doktrin auswirkt?

Der Koranlehrer schlägt das Kind. Schreie und Ängste. Körperliche und psychische Schädigungen werden lebenslange Folge sein. Das geschieht nicht irgendwo in Pakistan, sondern mitten in Europa und müsste eigentlich zur Anzeige gebracht werden. Es wird sich in uns bekannten Fällen von prügelkulturellen Hinterhofschulen oder arabisch orientierten Sprachfördervereinen allerdings wohl noch niemand gefunden haben, der diese Praxis zur Anzeige gebracht hätte. Wir wissen diesbezüglich auch von der Unzufriedenheit türkischer Väter, die jedoch aus erklärlichen Gründen nicht den Weg zu Jugendamt oder Polizei gefunden haben. Es gibt also Prügel zum Arabischlernen oder auch zum Koranlernen.

Jetzt hat die Sache auch ein makaber Gutes: Die Liebe zu Gott wird sinnlich nämlich schmerzlich klar, denn allein aus Angst vor dem prügelnden Hodscha darf kein kleiner Muslim etwas lernen: Angst dem Allah beizugesellen oder den Lehrer dem Allah beizugesellen wäre Schirk. Neben einem islamisch stets unvermeidlichen Stockholm-Syndrom wird für den Jungen die Einzigartigkeit und Allgewalt eines ebenso grausamen wie beglückenden Gottes verinnerlicht: Der Lehrer prügelt nicht aus sadistischem Selbstzweck, denn dem Sadismus zu huldigen wäre ein Schirk. Ich als Koranschüler leugne meine Angst, denn einen Götzen der Angst dem Allah beizugesellen wäre ein Schirk. Mancher auch muslimische Leser wird jetzt Hemmungen verspüren, dieser Logik zu folgen. Vielleicht ist unsere örtliche Koranschule ja eine seltene Ausnahme.

Ayaan Hirsi Ali wurden als Kind durch den islamischen Koranlehrer der Schädel vielfach gebrochen.

Schlagen scheint also recht üblich zu sein und ohne Frage islamisch erlaubt, wenn dies aus Liebe zu Allah geschieht. Europa kannte bis vor wenigen Jahrzehnten Ähnliches: In allen Epochen war der prügelnde Lehrer gewissermaßen selbstverständlich.

Prügelte die altrömische Schule weniger als die islamische? Dann wäre für die alten Araber der (manichäische) Monotheismus um den Preis der vermehrten Kindesmisshandlung erkauft worden. Gewiss, „erzieherische“ Grausamkeiten gab es auch im Polytheismus. Doch für den eifersüchtigen Einen Gott gibt es ein paar Faustschläge mehr.

Entscheidend ist, dass die Brutalität nicht auf einen profanen Zweck hinzielt, denn jeder Zweck neben Allah? Richtig, wäre Beigesellung. Prügeln für die gute Sache indes ist erlaubt und auch gleich eine Tagesdosis an Dschihad, an frommem Eifer.

Auch unter Hijab-, ja sogar Niqabträgerinnen finde ich in diesen Tagen Ansichten wieder, die meine These zu untermauern scheinen, dass jedes Objekt, dass in bedrohlich dichte Nähe der auf den unnahbaren Allah eingestellten Zieloptik gelangt, als Schirk gefürchtet ist. So darf keine Niqabi sagen, sie trüge den Tschador mit Gesichtsschleier aus Selbstzweck oder Eitelkeit oder Stolz oder Ästhetik, das alles wäre jeweils Götzendienst. Sie trägt ihn, wer es denn glauben mag, aus Liebe zu Allah. Wenig originell eigentlich. Tausend Burkaträgerinnen murmeln aus ihrem schwarzen Stoffgefängnis: „Ich trage meinen Niqab aus Liebe zu Allah!“ Synchron. Maschinenartig. Nun ja, der Platz im Paradies wird nicht verschenkt, ohne Fleiß keinen Preis. Soll doch die langhaarige Nachbarin in der Hölle brutzeln.

An die Hölle glauben die Niqabis! Die meisten Muslime gleich mit. Jedenfalls sind sie zu unbeholfen, den Albtraum von der Hölle in das Reich des Inneren, des Psychischen zu verbannen. Aus den uralten und zutiefst menschlichen Bildern des Unheimlichen, die als „Dämon“, „böser Geist“, „Hölle“ und „Teufel“ zu Wort kommen mögen und mit dieser Sprache ja gerade ausgetauscht, mitgeteilt, und „geheilt“, das heißt integriert werden können, sie bleiben im orthodoxen Islam wie im Islamismus abgespaltene Teile mit eigener „Macht.“

Teufel Iblis? Geist Djinn? Die Engel? Alles koranisch verbürgt, aber bitte gar kein Vergleich zu Allah. Es kann nur einen geben! Schließlich mache ich doch keinen Schirk. Sondern Eingottglauben, Tauhîd.

Tauhîd ist die unblockierte Perspektive. Befreit von Nebensächlichkeiten.

Heutzutage darf mit dem ehrbar anmutenden Tauhîd allerdings eine Terrorgruppe unangefochten firmieren: Die von dem Jordanier Abu Musab al‑Zarqawi mitgegründete al‑Tawhid, die auf der Terrorliste der EU steht und in Israel ihren Hauptfeind sieht, allerdings auch in Deutschland schon einmal einen vereitelten Anschlag durchzuführen beabsichtigte. Tawhid heißt Einheit, Einheitlichkeit: Eintracht der Gläubigen wie auch, in bewusster Abgrenzung zum trinitarischen Christentum, Einheit Gottes. Warum aber stellen islamische Mehrheiten der Terrorgruppe die Legitimation der Verwendung dieses Begriffes Tauhîd nicht laut hörbar in Frage? Einheitlichkeit, Einssein, Eintracht, Einheit: Vielleicht sollen beide Seiten des Wortes, die brillante und die brisante, uns Nichtmuslime oder auch Muslime ein wenig provozieren. Politreligiös aktive Muslime werden stets bemüht sein, Totalität und Totalitarismus jeder mehr als symbolischen Tauhîd-Begrifflichkeit zu vernebeln. Sie werden von der „Liebe zu Allah“ sprechen. Solcherlei Gottesliebe wird säkular denkende Menschen rasch zu „Ungläubigen“ werden lassen.

Monotheismus. Es liegt auch eine Frömmigkeit in der Konstruktion einer allen Dingen gemeinsamen Sinnquelle, eines welterhaltenden göttlichen Prinzips. Dem Manichäismus und mit ihm dem Islam gelang die Herstellung eines universellen Gottesbildes allerdings nur bei erheblichen Folgekosten.

Von al‑Uzza und al‑Lat, vom altarabischen Baumkult und vom Verehren heiliger Steine galt es aus Sicht von Mohammed sich abzukehren, sich zu befreien.

Diese Befreiung oder auch erst die Perversion derselben: Ist sie eine der Quellen der seit Jahrhunderten geradezu folkloristischen islamischen Bildungsverweigerung? Vielleicht war es ja so, dass man um das Jahr Tausend in Bagdad gesunder als in Brüssel lebte, in Kairo länger als in Köln (nur Christ durfte man nicht sein, erst recht kein Jude, schon gar kein Heide und am besten auch keine Frau). Doch dann blockierte irgendetwas die islamische Gelehrsamkeit, in Epochen, in der Europa mit Renaissance, Barock und Aufklärung allmählich wissenschaftliches Denken entwickelte. Kepler und Galilei freilich lebten sozusagen zu früh, doch gerade Menschen wie sie waren es, die für Europa den Weg aus der Theokratie in die Demokratie gangbar machten.

Dem Islam fehlt Pantheismus. Islamische Mystiker, die die Fähigkeit besitzen, Gott im Bereich des Träumerischen zu verorten und zugleich Gottes Schöpfung als geheiligt zu empfinden (Natur, Heiden und Frauen eingeschlossen) wurden und werden von den manichäischen Politreligiösen verfolgt.

Hans Jonas betont in seinem Buch ‚Prinzip Leben’, dass der Animismus keinesfalls als gänzlich abgelegt betrachtet werden dürfe. Damit nähert er sich deutlich einem Spinoza, Goethe oder Hesse an. Pantheismus und Animismus. Beseelte Objekte. Wenn das nicht jede Menge Schirk ist.

Mit Animismus meine ich nicht Obskurantismus oder eine, wiederum fesselnde, Magie. Nicht so sehr die blauen Steine und roten Korallen der türkischen Folklore und schon gar nicht den „bösen Blick“ oder die mindestens im türkischen Islam so verbreitete Auffassung, jede Krankheit als vorweggenommene Strafe Allahs zu sehen, bei entsprechender Verachtung jedes Kranken und Behinderten. Mit Animismus meine ich eher Naturromantik: Wertschätzung der Gegenstände und der Welt als von den Göttern oder von Gott geliebt.

Denn es liebt, es „vergöttert“ jedes Kind seine Puppe und manch Erwachsener sein Auto oder seinen Gartenteich. Denn wir nehmen „Souvenirs“, Erinnerungen aus dem Urlaub mit: Einen schönen Stein oder eine Vogelfeder, die wir ganz ähnlich „beseelen“, wie manch ein Schöpfergeist den aus Lehm gefertigten Figuren und nachmaligen ersten Menschen Leben eingehaucht hat. Muslimische Kinder haben hier ein gewaltiges Defizit! Deshalb lernen sie derzeit schlechter als die Kinder aller anderen Religionen.

Ohne eine kindliche oder jugendgemäße Natur- und Objektliebe kann es kein angstfreies Lernen geben. Diese Hinwendung zum Diesseits, diese Bejahung des Lebens und der Welt jedoch scheint für viele Muslime immer noch eine Bedrohung zu sein, weil sie einer „Beigesellung“ entspräche.

Dinge zu verehren macht neugierig, über sie etwas zu lernen. Doch der Untersuchungsgegenstand könnte Allahs Ruhm schmälern.

Und damit ein Stück Schirk sein.

Jacques Auvergne

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Eine Antwort to “Islam und Schirk”

  1. Dwarslöper Says:

    “Der junge Mensch braucht seinesgleichen – nämlich Tiere, überhaupt Elementares: Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann ihn auch ohne dies alles aufwachsen lassen, mit Stofftieren, Teppichen, auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es, doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nicht mehr erlernt.”

    Alexander Mitscherlich

    http://www.kinderzeit-gutezeit.de/Tiere-Natur.55.0.html

    Klicke, um auf Metzger_Erdmann_Offene-Spielraeume.pdf zuzugreifen

    http://www.familienhandbuch.de/erziehungsbereiche/schulung-der-sinne/matsch-und-modder-blumen-und-steine-warum-kinder-die-natur-brauchen

    http://www.familie.de/kind/forschungsdrang-von-kleinkind-unterstuetzen-511614.html

    http://www.kidnet.de/magazin-istlandschaftlangweilig-575-8162-1.html

    http://www.naturleben.eu/seiten/ueber-naturleben/warum-naturnahe-aussengelaende-bauen.php

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